Erst die riesigen Datenmengen, die die großen Detektoren wie das CMS am CERN in Genf liefern, ermöglichen eine fundierte Aussage über den Aufbau der Materie.

Foto: KIT/ Markus Breig

Eine der großen Fragen der Physik kreist um die Anzahl der im Universum existierenden Materieteilchen. Sind es 12 Teilchen, wie es das Standardmodell (SM) der Elementarteilchenphysik postuliert? Oder gibt es noch weitere Partikel, die nur zu massereich sind, um in den bisherigen Experimenten erzeugt zu werden? Ein internationales Forscherteam glaubt nach umfassenden Analysen von Daten, die Teilchenbeschleuniger in den letzten Jahren geliefert haben, eine Antwort gefunden zu haben.

Die Materieteilchen, auch Fermionen genannt, bilden die elementaren Bausteine des Universums. Alles, was uns umgibt, ist aus ihnen aufgebaut. "Lange Zeit war nicht klar, ob wir alle Bausteine kennen", erklärt Ulrich Nierste vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das Standardmodell der Teilchenphysik kennt 12 Fermionen. Aufgrund ihrer Eigenschaften teilt man sie in 3 Generationen zu je 4 Teilchen ein. Nur die erste Generation kommt in nennenswerter Menge außerhalb von Teilchenbeschleunigern vor. Zu ihr gehören das Elektron, das Elektronneutrino sowie das up-Quark und das down-Quark. Aus up- und down-Quarks sind schwerere Teilchen wie Protonen und Neutronen und damit alle Elemente des Periodensystems aufgebaut.

"Warum leistet sich aber die Natur überhaupt den Luxus einer zweiten und dritten Generation, wenn diese kaum gebraucht werden? Und gibt es vielleicht sogar noch mehr Generationen an Teilchen?", fragen Martin Wiebusch und Otto Eberhardt, Hauptautoren der im Fachmagazin "Physical Review Letters" erschienenen Analyse. Zumindest die zweite Frage konnten sie nun beantworten: "Im Standardmodell der Teilchenphysik gibt es genau drei Fermionengenerationen."

Zu 99,99999 Prozent gibt es nur 12 Fermionen

Für ihre Analyse kombinieren die Forscher die neuesten Daten, die mit den Teilchenbeschleunigern LHC und Tevatron gesammelt wurden, sowie viele bekannte Messergebnisse zu Teilchen wie dem Z-Boson oder dem top-Quark. Das Ergebnis der statistischen Analyse lautet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99999 Prozent die Existenz von weiteren Fermionen auszuschließen ist. Dies entspricht einer Signifikanz von 5,3 Sigma; ab 5 Sigma sprechen die Physiker von einer Entdeckung. Die wichtigste Rolle spielen dabei die Daten über das vor kurzem entdeckte Higgs-Teilchen.

Das Higgs-Teilchen gibt allen anderen Teilchen ihre Masse. Da zusätzliche Fermionen in Beschleunigerexperimenten nicht direkt nachgewiesen wurden, müssen sie schwerer sein als die bisher bekannten Fermionen. Das würde bedeuten, dass sie auch stärker mit dem Higgs-Teilchen wechselwirken. Diese Wechselwirkung würde die Eigenschaften des Higgs-Teilchens derart verändern, dass man es noch nicht hätten nachweisen können. Mit dem Ausschluss der 4. Fermionengeneration ist die erste der bekannteren offenen Frage der Teilchenphysik durch Messungen des neuen Beschleunigerringes LHC am CERN gelöst worden.

"Das Standardmodell der Teilchenphysik kann nun bei den Fermionen als abgeschlossen betrachtet werden", erklärt Nierste. Dennoch bleiben einige spannende Fragen. Etwa die genauen Eigenschaften des gerade entdeckten Higgs-Teilchens oder Aufklärung, warum es im Universum mehr Materie als Antimaterie gibt. (red, derStandard.at, 13.12.2012)