Wien/Linz - 4084 Bürger bevölkern die Stadtgemeinde Bad Leonfelden im oberen Mühlviertel. Fast wären es dieser Tage um 50 Einwohner mehr geworden. Der Besitzer der leerstehenden Pension "Böhmertor" hatte mit der Caritas bereits einen unterschriftsreifen Vertrag ausgehandelt: 50 Asylwerber sollten in dem Haus eine neue Bleibe finden. Gescheitert ist das Projekt aber am Widerstand in der Bevölkerung. Allen voran stieg Bürgermeister Alfred Hartl (VP) auf die Barrikaden.

Mit Freundschaftsaufkündigung gedroht

Hartl, der nur zwei Straßen von der Pension entfernt wohnt, begründete sein Veto damit, dass man "nicht viel Gutes über solche Asylunterkünfte hört". Ihm sei zwar "sehr wohl klar", dass Oberösterreich ein Kontingent aufnehmen muss. Aber: "Ein Tourismusort, in dem sich die Leute wohlfühlen, ist nicht der geeignete Platz für eine Asylunterkunft. Wir wollen die Wohn- und Lebensqualität auch weiter beibehalten." Dem Hausbesitzer drohte Hartl, die Freundschaft zu kündigen, sollte er sein Vorhaben tatsächlich umsetzen. Dieser zog sein Angebot zurück.

Die dicke Luft im Luftkurort steht symptomatisch für die schwierige Quartiersuche für Asylwerber. Bei neuen Unterbringungsprojekten sei die Vorbereitungsphase die schwierigste, meint Karin Abram, Leiterin der Abteilung Flüchtlinge und Migration der Caritas Österreich: "Sobald bekannt wird, dass Asylwerber in eine Gemeinde übersiedeln, kommen unter den Anrainern Befürchtungen hoch."

Die Kriminalität werde steigen, heiße es dann, Frauen könnten am Abend nicht mehr auf die Straße. Gegen diese "laut seriösen Kriminalitätsstatistiken unbegründeten Ängste" helfe laut Abram nur eins: "Die Projektmacher müssen mit den Bürgern in Kontakt treten."

Sachlichkeit gefragt

Also sei bei der Planung neuer Flüchtlingsquartiere der Caritas die Abhaltung einer öffentlichen Informationsveranstaltung der erste Schritt. Dort gingen die Emotionen dann meist hoch. Ihnen gelte es, sachlich zu begegnen in der vielfach bereits eingelösten Hoffnung, "dass es, sobald die ersten Asylwerber vor Ort sind, zu einer Beruhigung kommen wird".

Denn die Chance liege im Verstehen, dass auch ein Flüchtling Ängste habe und Unterstützung brauche, meint Abram. Um das zu erkennen, müsse es Gelegenheiten geben, etwa im Rahmen von Festen im Wohnprojekt. Hätten Ortsbewohner einmal gute Erfahrungen mit der Asylwerberunterbringung gemacht, halte sich diese Erfahrung lange: "In manchen Vorarlberger Gemeinden haben sich die Bürger zuletzt von sich aus für die Wiedereröffnung früherer Quartiere ausgesprochen."

Wichtige "Integrationsmaßnahmen"

Dass sich ein Ort an Flüchtlinge gewöhnt, daraus auch Vorteile ziehen kann, bestätigt Josef Balber, VP-Bürgermeister von Altenmarkt an der Triesting. 160 Asylwerber aus 16 Nationen leben derzeit in der mit Zweitwohnsitzern 2800-Einwohner-Marktgemeinde. Die Vorteile, so Balber, seien offensichtlich: "Fünf Arbeitsplätze hängen direkt, mehrere indirekt an der Asylwerberversorgung. Und in der Volksschule gibt es mehrere Klassen mit weniger Schülern pro einer Klasse, wegen der Kinder aus Flüchtlingsfamilien", zählt der Ortschef auf.

Wichtig seien "Integrationsmaßnahmen", in Altenmarkt vor allem Deutschkurse, und Einkommensmöglichkeiten für Asylwerber - so eng der gesetzliche Rahmen hier auch ist: Bis zu 100 Euro monatlich dürfen Asylwerber in der niederösterreichischen Gemeinde durch kommunale Tätigkeiten wie etwa Gärtnern dazuverdienen.

Natürlich gebe es auch Krisen. Etwa als sich vor einem halben Jahr ein junger, psychisch labiler Flüchtling mitten auf der Straße selbst verletzte: "Die FP hat dieses Ereignis sofort aufgegriffen und von einer Abrechnung unter Kriminellen gesprochen." Zum Glück, so der Bürgermeister, sei er persönlich "praktisch Augenzeuge" der Selbstschädigung gewesen: "Also konnte ich das bei einer Pressekonferenz für die lokalen Medien aufklären." (Irene Brickner/Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 14.12.2012)