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Bauarbeiter sind am häufigsten mit psychischen Beeinträchtigungen konfrontiert.

Foto: APA/Pfarrhofer
Grafik: Arbeiterkammer
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Psychische Belastungen im Job sind kein reines Managerphänomen, wie manche Experten suggerieren, sondern längst ein branchenübergreifendes Problem, das sehr viele Beschäftigen tangiert. Das legt zumindest der Gesundheitsmonitor der Arbeiterkammer Oberösterreich nahe. Die Studie wurde am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien präsentiert. Das wichtigste Ergebnis: Fast 30 Prozent aller Beschäftigten sind psychisch stark belastet, das sind fast 1,1 Millionen Betroffene. Zehn Prozent davon leiden massiv.

Erhoben werden die Zahlen vom Meinungsforscher Ifes, basierend auf 4.000 Interviews, die mit 1.000 Personen einmal im Quartal geführt werden.

Bauarbeiter vs. Bankangestellte

Dabei zeigt sich, dass der Anteil jener, die unter psychischen Beeinträchtigungen leiden, unter den Bauarbeitern (41 Prozent), Fabriksarbeitern (39 Prozent) und Kassierern (38 Prozent) am höchsten ist. Es folgen die Sparten Installateure, Rechnungswesen/Controlling, Reinigungskräfte und Abteilungsleiter. Vergleichsweise gut schneiden KFZ-Mechaniker (15 Prozent), Büroangestellte ohne Kundenkontakt (16 Prozent) und Bankangestellte (18 Prozent) ab.

Die größte Risikogruppe sind eindeutig Arbeiter. Hier liegt der Anteil jener mit psychischen Beeinträchtigungen bei 39 Prozent, im Bereich des öffentlichen Dienstes sinkt der Belastungsgrad auf 28 Prozent, bei den Angestellten sind 27 Prozent betroffen. Fast 70 Prozent der Beschäftigten kämpfen mit Stressempfinden und Druck. Bei nur acht Prozent spielt das im Berufsleben keine oder eine geringe Rolle.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um als "psychisch beeinträchtigt" zu gelten? Der Index weist insgesamt fünf Parameter aus, die als Grundlage der Bemessung dienen. Nämlich Demotivation, Nicht-Abschalten-Können, Depressivität/Burnoutsymptome, Sinnverlust/Entfremdung und Gereiztheit. Treffen drei davon zu, dann spricht die Arbeiterkammer von psychischer Belastung.

Psychosomatische Leiden

Bei einer genaueren Aufschlüsselung erweisen sich Zeitdruck, hohe Konzentration, hohe Verantwortung, ständige Kontrolle und mangelnde Rückzugsmöglichkeiten als Hauptursachen für psychische Belastung. Die Folgen manifestieren sich auch in körperlichen Beschwerden. Jeweils 75 Prozent klagen über Muskelverspannungen und Kreuzschmerzen, 67 Prozent kämpfen mit Erschöpfung und 58 Prozent mit Schlafstörungen. Bei jenen mit psychischer Belastung liegen diese Werte im Schnitt um die 30 Prozent höher.

Die Zahl der Krankenstandstage aufgrund von psychischen Erkrankungen hat sich seit 1994 verdreifacht. Für Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, sind die steigenden Anforderungen im Job nicht die alleinige Ursache, aber ein wesentlicher Grund für die Zunahme. Er fordert ein Bündel an Maßnahmen, um den Druck, der auf Arbeitnehmern lastet, zu entschärfen.

AK: Gutscheine für Fitnessklubs zu wenig

Auch wenn sich in den letzten Jahren bei der betrieblichen Gesundheitsförderung einiges zum Positiven verändert hat, so sind die psychischen Komponenten nach wie vor ein vernachlässigtes Terrain, kritisiert Kalliauer bei der Pressekonferenz. "Es reicht nicht, den Mitarbeitern nur Gutscheine für Fitnessklubs in die Hand zu drücken oder nur Obstkörbe zur Verfügung zu stellen." Um in die psychische Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren, sollten Unternehmen verstärkt auf die Hilfe von Arbeitspsychologen zurückgreifen, rät er. Und an den Schrauben zum Arbeitsdruck drehen.

Ab 50 Beschäftigten sind Betriebe gesetzlich verpflichtet, die Arbeitsbedingungen systematisch zu evaluieren, erinnert Kalliauer an eine Novelle des Arbeitnehmerschutzgesetztes. Wichtig sei hier, mehr Augenmerk auf die psychischen Belastungen zu legen - und nicht nur auf die körperlichen.

Eine weitere Forderung der Arbeiterkammer ist die Einführung eines Bonus-Malus-Systems, um ältere Mitarbeiter länger im Erwerbsprozess zu halten. Bei der Studie habe sich gezeigt, dass gerade Ältere viel häufiger mit psychischen Belastungen konfrontiert sind als ihre jüngeren Kollegen. Die Differenz liegt zwischen zehn und 15 Pozentpunkten, wie Reinhard Raml, Sozialforscher vom Ifes-Institut erklärt: "Die Belastung kumuliert." (om, derStandard.at, 12.12.2012)