Zwei Initiativen wollen den Leerstand in Wiener Erdgeschoßzonen nicht tatenlos hinnehmen. Die Gruppe "Die Gumpendorfer - eine aktive Straße" im 6. Bezirk und die Initiative "Lebendige Lerchenfelder Straße" im 7. und 8. Bezirk wollen die Erdgeschoße in ihren Grätzeln wiederbeleben und damit für mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum sorgen.

Zwei Initiativen, ein Ziel

Die "Lebendige Lerchenfelder Straße" ist aus dem Projekt "Lebendige Straßen" der Stadt Wien aus dem Jahre 2008 hervorgegangen. Damals sollten die Geschäftsstraßen Lerchenfelder Straße, Innere Hernalser Hauptstraße und Wallensteinstraße mit mehr Leben erfüllt werden. Nach der dreijährigen Pilotphase haben sich die Bezirke sieben und acht für eine Verlängerung des Projekts "Lebendige Lerchenfelder Straße" entschieden. 

Einen ähnlichen Auftrag hat die Initiative "Die Gumpendorfer", die im Jahr 2010 von der heutigen "Gebietsbetreuung Stadterneuerung für den 6., 14. und 15. Bezirk" gemeinsam mit dem 6. Bezirk ins Leben gerufen wurde. Für 2013 wurde das Team bereits mit einer Fortführung des Projekts beauftragt. Ihr Ziel ist es, den Straßenabschnitt zwischen Gürtel und Apollo-Kino aufzuwerten.

Transparentes Lokalwissen

Durch intensive Arbeit vor Ort und zahlreiche Gespräche haben die beiden Gruppen Informationen über die Gebäude entlang dieser Straßenzüge gesammelt. Eine solche Leistung können laut "Gumpendorfer"-Projektleiter Markus Steinbichler nur lokal agierende Initiativen erbringen. Dieses Lokalwissen wollen sie nun transparent machen und auf der Onlineplattform "Leerstandsinfo" zur Verfügung stellen.

Der folgende fotografische Streifzug durch die Gumpendorfer Straße soll die momentane Situation veranschaulichen.

Eine interne Erhebung des "Gumpendoprfer"-Projektteams hat gezeigt, dass von 27 leer wirkenden Lokalen im Oktober 2012 nur sieben gemietet werden können. Die restlichen sind bereits vermietet oder werden umgebaut, saniert oder gar nicht vermietet. Das zeigt, dass eine "leere Optik" nicht gleichzeitig verfügbaren Raum bedeutet.

Collage: die GUMPENDORFER (2010/2012)

Beispiel für ein leer wirkendes Lokal in der Gumpendorfer Straße 79. Laut Steinbichler hat dieses bereits seit mehreren Jahren dieses Erscheinungsbild. Auch eine Fotodokumentation aus dem Jahr 1997 zeige ein nur unwesentlich anderes Bild mit dem Vermerk "Betrieb geschlossen".

Bei genauerer Betrachtung kann man Kartons hinter den Scheiben, manchmal auch Licht erkennen. Im Zuge einer Begehung im Oktober 2012, bei der alle leer wirkenden Lokale eingehend aufgenommen wurden, wurde ein kleiner Vermerk an der Eingangstür entdeckt. Demzufolge wird das Lokal als Warenannahme eines großen Schmuckherstellers genutzt, der seinen Sitz im benachbarten Gebäude hat.

Daraus zieht das Projektteam das Fazit, dass zwar eine Nutzung abseits des klassischen Ladenlokals vorhanden, diese für Passanten aber optisch nicht zu erkennen ist.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

In der Gumpendorfer Straße 107 hatte bis vor einem Jahr ein alteingesessener Teppichhändler sein Geschäft. Im Jahr 2011 schloss er seinen Betrieb. Seitdem sind die Auslagenscheiben verklebt, das Lokal wirkt leer. Auch im Leerstandsmelder scheint dieses Lokal auf. 

Tatsächlich wird das Lokal aber seit über einem Jahr vom Hauseigentümer für eine Erweiterung seines ebenfalls im Gebäude befindlichen Elektrofachhandels adaptiert. Das Geschäft benötigt die Vergrößerung, da im bestehenden Lokal zu wenig Ausstellungsfläche und Platz für Kundenberatung vorhanden ist. Dieses Angebot mache das Geschäft abseits diverser Elektrogroßmärkte zu einer Institution im Bezirk, so Steinbichler.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

Gumpendorfer Straße 94: "Hier war ein BIPA drinnen, der nun auf Nr. 88 zu finden ist", heißt es auf der Website des Leerstandsmelders. Steinbichler bestätigt diese Information, allerdings ist die Drogerie jetzt auf 88B an der frequentierteren Eck-Lage Gumpendorfer Straße/Webgasse einquartiert. Seit der Umsiedlung der Filiale im Jahr 2011 steht das Lokal leer, wird aber nicht vermietet. Grund: Im Moment wird das Dachgeschoß ausgebaut und im Zuge dessen wohl auch die Fassade saniert.

Nach Abschluss des Projekts könne laut Steinbichler aber mit einer Neuvermietung gerechnet werden. Das Gebäude sei architektonisch und historisch sehr interessant, im Hinterhof ist ein Fotoatelier mit photographischem Garten ansässig.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

In der Gumpendorfer Straße 147 befand sich einst im Lokal rechts vom Eingang ein Obst-, Gemüse- und Lebensmittelgeschäft. Die Fotodokumentation aus dem Jahr 1997 zeige aber auch hier bereits den Vermerk "Geschäft geschlossen!"

Mindestens seit diesem Zeitpunkt wirkt das Lokal wegen der geschlossenen Jalousien leer. Eine Anfrage ergab jedoch, dass es als Werkstatt genutzt wird.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

In der Gumpendorfer Straße 71 belebte bis 2010 ein Laden für bunte Accessoires - von Gummistiefeln über Taschen bis Schmuck - den etwas grauen und lauten Abschnitt zwischen Hofmühlgasse und Amerlingstraße.

Danach war kurzzeitig ein Fotostudio eingemietet, das nun auf der anderen Straßenseite liegt. Das Lokal sei laut Steinbichler eines der wenigen verfügbaren an der Straße, das man sofort und ohne große Adaptierungsmaßnahmen beziehen könnte. Einzig die Lage an der Durchzugsstrecke Hofmühlgasse-Gumpendorfer Straße-Amerlingstraße (wo drei Buslinien unterwegs sind) könnte potenzielle Mieter abschrecken.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

In der Gumpendorfer Straße 88 war bis zum Jahr 2008 das Lokal der Fa. Löschl (Drähte und Kabel) beherbergt. Nach über 75 Jahren wurde der Betrieb eingestellt. Seitdem steht das Lokal leer und ist zur Vermietung inseriert. Es wurde allerdings in den vergangenen fünf Jahren nicht wieder vermietet.

Grund dafür sei eine unglückliche Konstellation, so Steinbichler: Das Lokal habe eine relativ große Verkaufsfläche, aber auch einen ebenso großen Lagerraum. Neben Mietpreis, Kaution und Maklerprovision müsse außerdem Geld in die Renovierung gesteckt werden. Die finanziellen Hürden und der hohe Adaptierungsaufwand schrecke daher Jungunternehmer aus den Branchen Mode, Design und Grafik ab.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

Positive Beispiele für Neubesiedelungen nach langem Leerstand finden sich in der Gumpendorfer Straße 134-136 und in der Gumpendorfer Straße 106.

Das Gebäude in der Gumpendorfer Straße 134-136 ist als Arik-Brauer-Haus bekannt. Im Erdgeschoß befand sich früher eine Galerie, danach stand es bis zum Jahr 2010 leer. "Die Gumpendorfer" konnten das Lokal zum Projektauftakt im April 2010 temporär für eine Ausstellung nutzen. Dadurch wurde es als potenzielles Zwischennutzungs-Lokal interessant.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

Kurz danach war es wieder dauerhaft vermietet, erst als Büro und seit 2011 als "Hunde-Wellness-Salon".

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

Der Gumpendorfer Hof mit der Hausnummer 106 ist ein an sich repräsentatives Gründerzeitgebäude und bietet im Erdgeschoß Platz für vier Lokale. Von diesen ist aber in den vergangenen Jahren nur eines dauerhaft an die Sport Union Mariahilf vermietet. Zwei kleinere Lokale waren als Lager in Verwendung, das größere Lokal als Internet- und Callshop.

2011/12 wurden die beiden Lokale links des Eingangs saniert, die Schaufenster und Eingangsbereiche einheitlich gestaltet und danach neu vermietet. Seit Anfang 2012 werten ein Friseur und ein Nähcafe das Erscheinungsbild des Gebäudes deutlich auf. Ein kleines Lokal ist derzeit (noch) als Lager in Verwendung.

Foto: die GUMPENDORFER (2010/2012)

Bislang zeigt eine selbst gebastelte Karte von René Michael Patschok von der "Lebendigen Lerchenfelder Straße", welche Lokale es im dortigen Gebiet gibt.

Die unterschiedlichen Farben der Stecknadeln zeigen die Verfügbarkeit der Lokale an. Um dieses Wissen allen zugänglich zu machen, soll bis Ende des ersten Quartals 2013 die neue Onlineplattform, "Leerstandsinfo" installiert werden. Auf dieser sollen sowohl private als auch öffentliche Angebote zu finden sein und Hintergrundwissen über die leerstehende Lokale geben.

Foto: René Michael Patschok

Ins Leben gerufen wurde die Idee der "Leerstandsinfo" von der Initiative "Lebendige Lerchenfelder Straße". "Die Gumpendorfer" sind der erste Projektpartner, der ebenfalls Daten zur Verfügung stellt.

Dabei wollen die Initiativen eine Vermittlerrolle zwischen Vermieter und Interessenten einnehmen. Für Nutzer wird das Angebot kostenlos sein. Auf einem Blog soll über neue Entwicklungen in den Grätzeln berichtet werden. "Die Leute vor Ort sollen merken, dass es etwas bringt, wenn man sich beteiligt", sagt Daniel Dutkowski von der "Lebendigen Lerchenfelder Straße". Auch andere Initiativen, die sich mit der Leerstandsproblematik auseinandersetzen, seien bei dem Projekt herzlich willkommen. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 13.12.2012)

Mehr Informationen

Die Gumpendorfer - eine aktive Straße

Lebendige Lerchenfelder Straße

Grafik: Daniel Dutkowski