Ob Bommelhauben oder Beanies, hochgezogen oder schlaff herunterhängend: Auch bei Hauben kommt es auf die feinen Unterschiede an. Hier einige Modelle von Carhartt.

Foto: Carhartt
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Hauben, wurde einem eingetrichtert, seien praktisch und zum Ohrenwärmen da. So wirklich gestimmt hat das eigentlich nie. Denn erstens waren Hauben schon immer eine modische Angelegenheit, und zweitens wird die Haube mittlerweile nicht nur noch im Winter, sondern das ganze Jahr über getragen.

Wer wüsste das besser als der Posterboy der Klatschspalten, Fußballstar David Beckham? Er galt in den vergangenen Jahren als modisches Vorbild für den urbanen, modebewussten Mann unter vierzig. Kuschelige Sexyness, die untenrum stets in einem Paar Sneaker steckt. Beckhams Markenzeichen obenrum: das schlaff am Hinterkopf herunterhängende Beanie, ein Stück schlappen Stricks oder Baumwolle, natürlich ohne Bommel. Das trägt der Erfolgskicker das gesamte Jahr über, und das wurde so als Anhängsel durch die Magazine geschleift: Beckham wurde zum Stilvorbild für die breite Masse.

Noch dazu machen er und seine Sohnemänner vor, wie der Lässig-Look vom Kapuzensweater bis zum Beanie generationenübergreifend funktioniert. Und damit es all die jung gebliebenen Väter dem Superpapa des Boulevards gleichtun können, gibt es bei Adidas die Beanies mit David-Beckham-Logo zu kaufen.

Modisches Aufpoppen der Haube

Nebenbei hat auch Ehefrau Victoria den Trend zur Kuschelhaube erkannt: Die Designerin zitierte Davids Lieblingsklamotte in ihrer aktuellen Winterkollektion. Eine ähnliche Idee hatte schon Raf Simons, der den Jil-Sander-Kundinnen zu Musik von Serge Gainsbourg und 50 Cent hochgezogene Beanies mit einem Netzanhängsel verordnete. Und das für den Sommer! Des Belgiers Inspiration? Sicher nicht der britische Fußballstar, sondern wie immer irgendetwas aus der Popkultur. Alles, was mit dem Lebensgefühl der Skater oder dem des Rap und Hip-Hop zu tun hat, macht sich gut, wenn es gilt, die nächsten Konsumentengenerationen anzusprechen.

Damit steht Raf Simons nicht allein da, denn das modische Aufpoppen der Haube ist weniger David Beckham als der Lust am popkulturellen Endloszitat zu verdanken. Die Vorbilder des heutigen Beanies sind in der Skater- und in der Musikkultur der 90er-Jahre zu finden. Damals streifte sie sich Kurt Cobain über die langen Haare, seine Mütze kein Marken-, sondern ein musikalisches Bekenntnis: Mit dem Schriftzug "Buzzcocks" huldigte er auf einer Tour der gleichnamigen britischen Punkband.

Einige Jahre später eroberte Indiemusiker Damon Gough alias Badly Drawn Boy mit seiner Wollhaube den Mainstream - die Kopfbedeckung quasi festgewachsen. Sogar in Hollywood markierte Anfang der 90er ein Johnny Depp, damals noch mit Kate Moss im Schlepptau, ganz im Stile eines Kurt Cobain den unangepassten jungen Wilden. Dabei warb er mit seinem Beanie schlichtweg für seine legendäre Bar "The Viper Room" am Sunset Strip in West Hollywood: Ähnlich wie T-Shirts funktionieren Mützen mit Aufschrift als Label- oder Lippenbekenntnis, manchmal sogar als politisches Statement.

Modische Statements

Bevor Barack Obama 2008 seine erste Wahl gewann, gehörten Beanies mit der Aufschrift "44th President" oder einem simplen Obama-Schriftzug zur Grundausstattung eines jeden demokratisch gesinnten Merchandise-Shops. Wer also Hauben allein als wärmendes Utensil versteht, ist selbst schuld. Dass sie bisweilen mehr als Überbringer von rein modischen Statements sind, dürfte allerdings nicht verwundern: Noch bis ins 20. Jahrhundert kam den Kopfbedeckungen - insbesondere für die Frauen - noch eine ständisch-gesellschaftliche Zeichenfunktion zu.

Heute funktioniert die Übermittlung der feinen Unterschiede anders. Da geht es zum Beispiel darum, wie die Haube denn nun aufgesetzt wird. Im Moment macht das hochgezogene Beanie die Runde, das auf der oberen Hälfte des Kopfes sitzt. Goldene Stylingregel: Bloß nicht zu tief über die Ohren ziehen! Carhartt oder Supreme aus New York heißen die seit den 1990ern angesagten Hersteller für alle die, die nicht auf Selbstgestricktes stehen. Und sogar die Bommelmütze erlebt ein Comeback. Auch sie hängt nicht, nein, sie steht! Wie ein steifer Eierwärmer wird sie nun getragen, Modeikone Miroslava Duma, Heldin der StreetstyleBlogs, hat es schon vorgemacht, viele junge Frauen machen es ihr nach.

Mützenmodell mit Bommel

Der Hersteller American Apparel hat sich ebenfalls auf die gesteigerte Nachfrage nach Pudelhauben eingestellt: Die Lookbooks sind dort bereits voll mit bemützten weiblichen Models. Wem das alles zu uniform ist, greift dann vielleicht doch noch zu den Stricknadeln und kauft dicke südamerikanische Wolle bei "We are Knitters" ein, die inklusive Anleitung und Nadeln in einer braunen Papiertüte nach Hause geliefert wird. Das Konzept haben sich die beiden Mittzwanziger Pepita Marín und Alberto Bravo in den USA abgeschaut, Cuqui's Beanie, ein Mützenmodell mit Bommel, soll immerhin von Strickanfängern bewältigt werden können.

Auch in der Wiener Innenstadt ist der Bommel bereits angekommen. Allerdings nicht ganz so cool, denn er ist aus Echtpelz und gern in männlicher Begleitung eines Beckham-Beanies anzutreffen. Wir sehen: Modebewusste Menschen haben hierzulande Aufholbedarf. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 14.12.2012)