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Augen zu und durch? Staatspräsident Giorgio Napolitano ist besorgt, dass viele Reformvorhaben in Italien stecken bleiben.

Foto: Reuters/Zivulovic

Während der Zinsaufschlag auf Staatspapiere in schwindelnde Höhen kletterte, begann in Italien ein surreal anmutender Wahlkampf, der einen tiefen Abgrund zwischen Politik und Wirklichkeit offenlegt. Silvio Berlusconi eröffnete bereits das übliche Sperrfeuer - gegen die "kommunistische" Linke, gegen die "nützlichen Idioten" der Zentrumsparteien, gegen rote Richter und die "deutsche Bevormundung" in der EU. Unter Fußballern und ihm freundlich gesinnten Unternehmern wie Flavio Briatore suchte er zudem nach Kandidaten für die Wahl.

Bei Staatspräsident Giorgio Napolitano und Premier Mario Monti wuchs indes die Besorgnis, ob wichtige Reformvorhaben noch vor der Auflösung des Parlaments verabschiedet werden können. Dazu gehört die Abschaffung von 35 Provinzen, die Berlusconis PdL plötzlich als "überflüssig" ansieht. Noch vor zwei Jahren war es der Cavaliere selbst, der die Reform in die Wege geleitet hatte. Jetzt will seine Partei das Dekret vor dem Verfassungsgericht anfechten. Die Regierung befürchtet für diesen Fall ein "institutionelles Chaos." Auch das Wahlrecht, dessen dringende Reform Napolitano seit einem Jahr anmahnt, wird von Berlusconi boykottiert, weil er sich vom bestehenden System Vorteile verspricht.

Spekulationen über Monti-Kandidatur

Vor der Auflösung des Parlaments, die noch vor Weihnachten erfolgen könnte, will Berlusconis "Volk der Freiheit" nur dem Haushaltsgesetz zustimmen. Die Wahlen sollen in der zweiten Februarhälfte stattfinden. Monti zeigt sich angesichts der internationalen Reaktionen auf Berlusconis Comeback "besorgt". Im Rücktritt habe er jedoch die "einzige Möglichkeit" gesehen. In den italienischen Medien wird indes über eine mögliche Kandidatur Montis für eine zweite Amtszeit spekuliert. Der Mailänder Ökonom könnte auch nach Napolitanos Rücktritt in wenigen Monaten zum Staatspräsidenten gewählt werden. Vor allem das katholische Lager drängt Monti zur Kandidatur für eine zweite Amtszeit.

Der Vorsitzende des Partito Democratico, Pier Luigi Bersani, der sich bereits als neuer Premier wähnt, hat den Regierungschef ersucht, sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Monti sei eine wichtige Persönlichkeit, für die sich ein geeigneter Aufgabenbereich finden werde. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 11.12.2012)