Eine Containerwohnanlage für Studenten in Amsterdam. Die Stadtverwaltung wird in solchen Einheiten künftig Zwangumgesiedelte für bis zu sechs Monate unterbringen.

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Amsterdam - Nach dem Prozess begann der Terror. Der Sohn einer Amsterdamer Familie hatte gegen den Nachbarn vor Gericht als Zeuge ausgesagt - was dieser ihm eher übelnahm. Der Mann begann, die ganze Familie zu bedrohen, er zerkratzte ihr Auto, schmiss ihnen einen Ziegelstein durchs Fenster.

Immer wieder riefen die Opfer die Polizei, immer wieder zog diese machtlos ab, weil nicht zu beweisen war, wer der Täter war; Sozialarbeiter kamen und versuchten zu vermitteln, vergeblich. Nach mehreren Monaten hatten die bedrängten Nachbarn dann genug und zogen in ein anderes Viertel.

Um solche Fälle künftig anders zu lösen, hat sich Amsterdams Bürgermeister Eberhard van der Laan etwas Besonderes einfallen lassen: Er will besonders unangenehme Nachbarn künftig in Container in "dünn besiedelten Stadtteilen" zwangsumsiedeln. Dort sollen sie bis zu sechs Monate unter Aufsicht von einer Art Bewährungshelfern wohnen, anschließend soll für sie ein neues Quartier gesucht werden. Mit Jänner 2013 soll das Programm starten, bereits seit mehreren Wochen sorgt es für Aufregung.

Vergleich mit Vorschlag des Rechtspopulisten Wilders

Kritiker vergleichen die Idee mit einem Vorschlag des Rechtspopulisten Gerd Wilders. Dieser hatte 2011 verlangt, Wiederholungsstraftäter in eigenen Dörfern, sogenannten "Scum Villages", anzusiedeln.

"Wir wurden leider missverstanden", sagt Tahira Limon, die Sprecherin des Bürgermeisters. Die Stadtverwaltung habe nie Dörfer geplant, sondern werde die Betroffenen in einzelnen Containerwohnungen unterbringen, die über die Stadt verteilt sind. Derzeit leben vor allem Studenten in derartigen Wohneinheiten.

Dem liberalen Image der Stadt würde die Maßnahme nicht widersprechen: Im Gegenteil soll sie sicher stellen, dass auch Minderheiten in Amsterdam leben können, ohne von ihren Nachbarn belästigt zu werden, argumentiert man im Büro des Bürgermeisters. "Es kann ja nicht sein, dass die Opfer wegziehen müssen und der Täter bleiben kann", sagt Limon. Die Maßnahme sei außerdem nur für besonders schwere Fälle vorgesehen, in denen Nachbarn über Monate nicht zur Einsicht kommen würden.

Kein Richterbeschluss

Wer ausziehen muss und wer nicht, darüber soll ein Team aus Polizisten, Sozialarbeitern und Nachbarschaftsbetreuern entscheiden, richterlicher Entschluss wird dafür nicht nötig sein. Vorerst können nur Leute zwangsumgesiedelt werden, die in gemieteten Wohnungen oder Häusern leben - die Stadt sucht aber gerade nach einer rechtlichen Möglichkeit, auch Eigentümer umzusiedeln, sagt Limon.

Sie rechnet mit etwa sieben bis zehn Fällen pro Jahr - bei insgesamt 130.000 jährlichen Beschwerden wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Die Zwangsumsiedlungen sind Teil eines größeren Programms gegen Bullying durch Nachbarn, das sich die Stadt Amsterdam insgesamt eine Million Euro kosten lässt. Mit dem Geld sollen vor allem Teams aus Sozialarbeitern und Polizisten finanziert werden, die zwischen den Streitparteien vermitteln. (tob/DER STANDARD, 11.12.2012)