Das Wohnhaus in der Johann-Böhm-Straße umfasst 32 Wohnungen auf vier Geschoßen. Die Sanierung auf ein Plusenergiehaus wird rund 3,5 Millionen Euro kosten.

Bild: Nussmüller Architekten ZT GmbH

Im obersteirischen Kapfenberg wird gerade eine Wohnhausanlage aus den 1960er-Jahren zu einem "Plusenergiehaus" saniert. Das bedeutet, dass das Gebäude künftig mehr Energie erzeugen wird, als es verbraucht.

Das Vorhaben wird vom Forschungsprogramm "Haus der Zukunft Plus" des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) unterstützt. Höheres Ziel dieser Anstrengungen ist es, eine wirtschaftliche Methode zu entwickeln, wie Wohngebäude aus der Bauperiode 1945 bis 1980 wirtschaftlich effizient saniert werden können.

Um 85 Prozent weniger Energie

Am konkreten Konzept für die Anlage in der Kapfenberger Johann-Böhm-Straße wird seit zwei Jahren gearbeitet. Neben dem Gebäudeeigentümer, der "Wohnbaugruppe ennstal", sind Wissenschafter des Instituts für Materialprüfung und Baustofftechnologie der TU Graz unter Führung von Alexander Passer sowie das AEE Intec Institut für Nachhaltige Technologien in Gleisdorf beteiligt. Für die Architektur zeichnet das Grazer Büro Nussmüller Architekten ZT verantwortlich.

Baubeginn war im März heurigen Jahres, vor wenigen Tagen wurde die neue hinterlüftete Fertigteil-Fassade (Dämmstoff: Mineralwolle) fertig montiert. Erste Ergebnisse seien schon jetzt vielversprechend, erklärt Passer: "Im fertig sanierten Gebäude wird der Energieverbrauch um 85 Prozent reduziert sein. Da das Haus zusätzliche Energie erzeugt, haben wir gemeinsam die Zertifizierung als Plus-Energie-Haus erreicht." Dies sei durch die wärmedämmende Fassade und die Strom- und Wärmeerzeugung durch Solarenergie gelungen.

"Dauerhaft und langlebig"

Passer und Co-Projektleiter Karl Höfler von AEE Intec können sich somit dieser Tage über die erreichte TQB-Zertifizierung ("Total Quality Building") der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) freuen. Dabei wurden 867 von 1.000 Punkten und in Sachen Heizwärmebedarf ein Wert von 15,1 kWh/m²a erreicht (zuvor 101 kWh/m²a), was gerade noch einer Passivhaus-Gebäudehülle entspricht.

Die zur Dämmung verwendete Mineralwolle sei zwar nicht unbedingt das ökologischste aller Materialien, jedoch "nachhaltig, weil dauerhaft und langlebig", sagt Passer zu derStandard.at. Grundsätzlich hätten die Planer "natürlich auch Rücksicht auf die Wünsche des Bauherren" nehmen müssen.

Strom- und Wasserleitungen in der Fassade

Der Projekttitel "e80 hoch 3" steht für die Ziele des Sanierungskonzepts, nämlich die Reduktion des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen um jeweils 80 Prozent sowie einen Anteil von 80 Prozent an erneuerbaren Energien. Neben der 30 Zentimeter dicken thermischen Außenhülle wurde das Haus deshalb auch mit rund 1.000 m² an Fotovoltaik-Modulen versehen. "Die Haustechnik-Elemente wie Strom- und Wasserleitungen wurden nach außen in die Fassade des Gebäudes verlegt. So sind sie jederzeit schnell und einfach zugänglich, etwa für Reparaturen", erklärt Passer eine weitere Innovation des Projekts.

Bis April 2013 soll der erste Bauabschnitt in Kapfenberg abgeschlossen und bis Ende 2013 das gesamte Wohngebäude fertig saniert sein. Die Bewohner werden laut Passer für die Zeit der Bauarbeiten hausintern übersiedelt.

Netz für Strom und Wärme

Auf Basis der hier angestellten "Feldforschung" wollen die Projektverantwortlichen nun Fertigteile für eine serienmäßige energiesparende Sanierung von Wohnbauten entwickeln. Außerdem ist als weitere Sanierungsmaßnahme ein siedlungsweites Netz für Strom und Wärme geplant, um noch mehr Energie zu sparen: "Wenn eines der Gebäude zu viel Strom oder Wärme produziert, fließt der Überschuss ins Netz und kann bei Bedarf später oder von einem anderen Gebäude verwendet werden." (map, derStandard.at, 10.12.2012)