Im Internet sind sie schon längst als leere, abgedroschene Totschlagargumente verschrien, die unausweichlichen Hitler-Vergleiche. In Österreich tauchen diese aber gerade aus den Untiefen der Posting-Foren auf und positionieren sich vollkommen rehabilitiert in der selbsternannten Königsdiziplin des Journalismus: dem politischen Kommentar.

Elke Kahr: Hitler und/oder Stalin

Christian Ortner beschreibt zum Beispiel szenisch und pathetisch in der Presse, wie der KPÖ-Wahlerfolg in Graz gleichzusetzen wäre mit einem NSDAP-Erdrutschsieg mit selbsterklärter Faschistin als Anführerin. Christian Rainer sieht sich im Profil dazu bemüßigt, eine negative Wahlempfehlung auszusprechen - der Kommunismus sei "irreversibel belastet" durch eine "verbrecherische Realität", eine Distanzierung davon unmöglich. Der "liebe und intelligente" Hund  (Intelligenter als Grazer Wähler?) des Politikwissenschaftlers Peter A. Ulram muss bei Kahr-Interviews sogar tatsächlich kotzen. Neuartig und ungewohnt, diese tierische Kommentatorentätigkeit, aber wenigstens ein bisschen subversiver politischer Aktionismus.

Hundsgemeine Metaphern

Diese Polemiken auf die Grazer KPÖ sind nun in einem gesamt-österreichischen Kontext zu sehen, in dem die russische Besatzung manchmal als schlimmere und traumatisierende Tragödie wahrgenommen wird als Austrofaschismus und Nationalsozialismus zusammen. Ein Mediensystem, in dem ständig Debatten mit fahrlässigen und gefährlichen Verkürzungen geführt werden; Betriebswirtschaft zum Beispiel nicht nur aktuell durch Herrn Stronach schon mal großzügig auf Volkswirtschaft gerundet wird. Und so auch Ideen und Ideologien zwecks populistischer Wirkung mit ihrem Missbrauch gleichgesetzt werden, anstatt darüber zu diskutieren, ob dieser Missbrauch der Ideologie inhärent ist oder nicht. Was Ulrams Hund wohl dazu kläffen würde!

Verband der Unabhängigen

Und so müssen sich Elke Kahr und die KPÖ ironischerweise gleichzeitig Hitler- und Stalin-Vergleiche gefallen lassen. Aber warum hier aufhören? Untersuchen wir doch mehrere Parteien nach ihrem Gleichnis-Potenzial! Vergessen wir zum Beispiel nicht auf Verbindungen, die zwischen der FPÖ und dem Nationalsozialismus bestanden und bestehen. Bei den Wahlerfolgen, die die FPÖ einfährt, müsste man ja regelmäßig skandieren: "Das ist so, als würde die NSDAP 30 Prozent bekommen! Schließlich ist die FPÖ direkt aus der VDU hervorgekommen, und die verstand sich als Interessensvertretung ehemaliger NSDAP-Mitglieder!" Aber so schnell könnte man gar nicht Unschuldsvermutung sagen, wie man da von FPÖ-Anwälten verklagt würde.

Christliche Werte?

Oder denken wir an die ÖVP mit ihren austrofaschistischen Wurzeln, die immer noch (anekdotisch oder nicht) dem Dollfuß-Portrait in der Parteizentrale huldigt. Warum wird der "christlich-sozialen" Partei eigentlich selten ihre namentliche Verbindung mit einer Ideologie vorgeworfen, die insgesamt noch mehr Leben am Gewissen hat? Diese Vertreter einer geschichtlich gesehen deutlich menschenverachtenden und kriegerischen Ideologie - nicht nur zu spät, sondern nie davon distanziert, übrigens! - haben schließlich in Graz die meisten Stimmen bekommen.

Vergleichsweise

Elke Kahr muss sich in dem Land, das Hitler produziert hat, für Mao Tse Tung und Kim Jong Il rechtfertigen, während die FPÖ und die ÖVP von Journalisten kaum mit ihrer landesinternen Vergangenheit oder ihrem Ursprung konfrontiert werden. Bezeichnend, dass man bei der KPÖ für rufschädigende Vergleiche weit über die Landesgrenze hinausschauen muss. (Olja Alvir, daStandard.at, 10.12.2012)