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In welches russische Gefängnis Rasambek I. gebracht wurde, hat die österreichischen Behörden bisher nicht wirklich interessiert.

Foto: AP/dapd/Laura Mills

Was den Tschetschenen Rasambek I. betrifft, der Mittwoch vor einer Woche aus Wien nach Moskau abgeschoben wurde und seitdem angeblich in einem Gefängnis unweit der russischen Hauptstadt sitzt, hat es das offizielle Österreich nicht wirklich eilig, sich über die näheren Umstände des Haftbefehls und der Haft kundig zu machen. Kommenden Montag, so hieß es am Freitag, werde die österreichische Botschafterin in Moskau, Margot Klestil-Löffler, wieder in Amt und Würden sein und alsdann Schritte setzen. 

Durchaus möglich, dass sich hier diplomatisches Understatement mit dem Wunsch paart, die Nachforschungen, wie es I. jetzt geht und was ihm in Russland genau vorgeworfen wird, zurückhaltend zu gestalten. Denn die Causa ist heikel: Wie jeder Staat lässt sich auch Russland nur ungern Fragen über innere Angelegenheiten wie einen westsibirischen Haftbefehl wegen KFZ-Diebstahls stellen - was dem 47-jährigen Tschetschenen ja offenbar vorgeworfen wird. Und Fragen über die Behandlung von Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe schon gar nicht.

Sorgen um Sicherheit

Diesbezüglich sind KennerInnen der russischen Menschenrechtssituation offenherziger. So etwa die frühere, langjährige ORF-Korrespondentin und Buchautorin Susanne Scholl: Autodiebstahlvorwürfe gegen Tschetschenen seien in Russland nicht eben selten - und zuweilen fragwürdig, meint sie. Sie weist auch auf die massiven Vorurteile hin, die dem Kaukasus-Volk in Russland entgegenschlagen.

Sollte Rasambek I. indes, wie er und seine Familie es im Asylverfahren immer behauptet haben, in Russland politisch tatsächlich in Misskredit stehen, so besteht laut dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak durchaus Anlass, sich um seine Sicherheit Sorgen zu machen. Mit tschetschenischen Oppositionellen werde in Russland nach wie vor brutal umgegangen, meint Nowak.

Anträge zwei Mal abgelehnt

Die österreichischen Asylbehörden waren zu einem anderen Schluss gekommen: I. werde politisch nicht verfolgt. Die Schilderung mehrfacher Verschleppung und Folter, weil er Anhänger des ehemaligen tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow geholfen habe, sei erfunden, befanden sie.

Und zwar bisher schon zwei Mal: Sowohl der - gegen eine Dublin-Rückführung nach Polen erkämpfte - erste Asylantrag in Österreich als auch der Folgeantrag des Mannes und seiner Familie wurden rechtskräftig abgelehnt. Das ist rechtsstaatlich eindeutig, und da auch die Ausweisung bereits in Rechtskraft erwachsen war, sprach gegen die Abschiebung nichts mehr. So weit, so klar.

Drei Gutachten über Folgen von Folter

Dennoch: Da waren auch anderslautende Begleittöne, sodass es wohl angebracht gewesen wäre, die Umstände dieser Abschiebung im Vorfeld besonders minutiös zu prüfen. So gab es ein Gutachten eines Therapeuten des Wiener Betreuungszentrums für Folteropfer und Kriegsüberlebende, Hemayat, laut dem Rasambek I. an den Folgen schwerer Traumatisierung leidet: An Symptomen, wie sie nur durch Folter oder andere Extremereignisse ausgelöst werden können. 

Im Herbst 2011 wiederum wurde I. aus der Schubhaft entlassen, weil er im Gefängnis laut Amtsarzt schwere Traumafolgeleiden entwickelte. Dies wurde im Sommer 2012 von einem weiteren Amtsarzt betätigt. Dem allen aber widersprachen zwei andere, letztendlich verfahrensentscheidende Gutachten.

Internationalen Schutzauftrag verletzt

Somit sind in diesem Fall immerhin dreimal fachlich durchaus ernstzunehmende Befunde erstellt worden, die der Ansicht von Asyl- und Fremdenpolizei zuwiderlaufen, I. habe seine politische Verfolgung frei erfunden. Dreimal Zweifel, ob der Mann eine weitere Inhaftierung so einfach wegstecken kann. Was hätte es angesichts dessen den österreichischen Behörden gekostet, sich im Voraus zu erkundigen, was den Tschetschenen in Russland erwartete?

Aber dafür hätte man sich die jetzt bestehenden Unsicherheiten über Rasambek I.'s derzeitige Lage erspart, samt der Befürchtung, dem internationalen Schutzauftrag vielleicht doch nicht nachgekommen zu sein. Eine "erfolgreiche" Abschiebung weniger. (Irene Brickner, derStandard.at, 8.12.2012)