Meinungsforscher Peter A. Ulram "liest" Elke Kahr.

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Die Grazer Gemeinderatswahlen haben gezeigt, dass ein Gutteil der österreichischen Wähler und Wählerinnen gewillt ist, die traditionellen Parteien "abzustrafen", wobei inzwischen auch die Grünen zu eben diesen gerechnet werden: ÖVP minus 4,6 Prozentpunkte, SPÖ: minus 4,3 Prozentpunkte, Grüne: minus 2,4 Prozentpunkte; das BZÖ - an dessen politischer Existenzberechtigung ohnehin auch viele der eigenen (nunmehr Ex-) Funktionäre zweifeln - verschwindet mit minus 2,9 Punkten aus dem Grazer Gemeinderat.

Die Gründe für das "negative voting" auf den verschiedenen Ebenen sind unterschiedlich, desgleichen die jeweiligen Verlustgrößen. Die Grazer Gemeinderatswahlen haben aber auch gezeigt, dass die verärgerte Wählerschaft "irgendwohin" wandert - Hauptsache "dagegen" und wer profitiert, hängt im Wesentlichen davon ab, wer gerade als "dagegen" zur Verfügung steht. Die Piraten, in den letzten Monaten vor allem (wenn überhaupt) durch interne Streitigkeiten aufgefallen, sind in den Gemeinrat eingezogen, die FPÖ, ansonsten nicht gerade im Aufwind, hat zugelegt und die KPÖ hat sich beinahe verdoppelt.

Darüber dass die KPÖ in Graz vor allem als Mieterschutz- und Hilfsorganisation für sozial Schwache präsentiert und von vielen Wählern auch so wahrgenommen wird, ist zuletzt viel geschrieben worden und dieses (von blutrot zu rosarot gewandelte) Image hat offensichtlich dazu beigetragen, dass man glaubt, ideologisch ein wenig aus der Deckung herauskommen zu können.

Zunächst einmal nimmt die Spitzenkandidatin Elke Kahr im Profil -Interview vom 3. 12. ziemlich ungeniert für sich die "Gnade der späten Geburt" in Anspruch: "Ich bin zu einem Zeitpunkt zur KPÖ gestoßen, als das (Stalinismus, Diktatur, Massenmorde etc., Anmerkung des Autors) und auch für die anderen keine Rolle gespielt hat". Eine Auseinandersetzung mit den Altgenossen findet nicht statt, weil "ich hätte es aber auch für vermessen gehalten, ehemaligen Widerstandkämpfern ... das vorzuwerfen". Vor allem aber "Wir haben uns mit Kommunalpolitik beschäftigt" und dabei bleibt sichtlich keine Zeit für Geschichtsbewusstsein und/oder politische Bildung.

Ist die Dame beim Profil-Interview noch etwas verhalten, inklusive des obligaten Verweises "ich habe nie etwas davon gehalten, Modelle von anderen Ländern zu übernehmen" (also kein Gefängnis für Dissidenten wie bei den kubanischen Genossen, die Grazer können unbesorgt sein), so wird sie im Interview mit Österreich (2. 12.) schon deutlicher: "Aber die beste Idee hilft nichts, wenn die Menschen sie nicht richtig ausführen." Dass die versuchte Exekution der besten Idee in Osteuropa, China, Nordkorea und Kambodscha zigmillionen Menschenleben gekostet hat, war halt ein nur allzu verständliches Ergebnis von individuellem Versagen. Nach 1945 hat es bei den früheren Anhängern eines anderen totalitären und massenmörderischen Regimes übrigens ein wortgleiches Argument gegeben: "Der Nationalsozialismus war eine gute Idee, die nur schlecht ausgeführt wurde."

Und die Moral von der Geschichte? Frage der Österreich-Chefredakteurin Ida Metzger: "Wie sehen Sie die KPÖ?" Antwort Elke Kahr: "Als die letzte moralische Instanz in diesem Land."

Während ich am Sonntagvormittag die Zeitungen gelesen habe, hat mein Hund auf den Teppich gekotzt. Ich habe das zunächst darauf zurückgeführt, dass er beim morgendlichen Spaziergang in einem unbeobachteten Moment Abfall verspeist hat. Aber wenn ich es mir richtig überlege und angesichts der Tatsache, dass er nicht nur ein lieber sondern auch ein intelligenter Hund ist, glaube ich inzwischen, dass er die Zeitungen mitgelesen hat. (Peter A. Ulram, DER STANDARD, 7.12.2012)