Jung-Grüner Cengiz Kulac...

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...und Alt-Grüner Karl Öllinger haben derzeit wenig Freude mit ihrer Partei.

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Graz/Wien - Nach den Verlusten bei der Grazer Gemeinderatswahl war bei den Grazer Grünen am Mittwochabend eine Krisensitzung angesetzt. Nicht jeder fand die Reflexionsrunde sinnvoll: "Ich habe das Gefühl, dass man Kritik auf eine Pinnwand steckt, dokumentiert und dann liegen lässt", beklagt der 24-jährige Grazer Cengiz Kulac, Chef der Jungen Grünen Österreichs, der Teil der Runde war. Kulac war von Beginn an ein lauter Kritiker innerhalb der Partei, als sich diese 2008 auf eine Koalition mit der ÖVP einließ.

Seine Kritik hat sich für ihn bestätigt - etwa in der Frage der Ausgliederung städtischer Betriebe: "Die werden noch zum Desaster werden, sozialpolitisch, finanzpolitisch und demokratiepolitisch", ist Kulac überzeugt, "weil in den Betrieben nun Lohndumping möglich ist und der Gemeinderat nicht wie bisher Einfluss nehmen kann." Das sei "klassisch neoliberale Politik", so Kulac zum STANDARD, "offenbar eifert fast jeder dem Zeitgeist nach. Auch Grüne im Bund und in Europa".

Noch ein Punkt stört Kulac massiv: "Bei der Personalsuche wird identitätspolitisch vorgegangen. Ich weiß, dass man mir am Anfang wegen meines türkischen Namens freundlich begegnete", sagt der Sohn eines Türken und einer Österreicherin, der Rechtswissenschaften und Soziologie studiert, "aber ich lasse mich nicht auf meinen Namen reduzieren." Kulac hält auch die Zusammensetzung der Grazer Partei für ein Problem: "Das ist die Generation NGO, etablierte Leute aus dem postmodernen, Lifestyle-Bobo-Milieu."

Dass Julian Schmid auf die Liste für den Nationalrat kam, sei ein gutes Zeichen. Doch ein politisches Profil sei "keine Altersfrage. Ältere Grüne wie Karl Öllinger müssen ein Recht haben, für ihr Mandat zu kämpfen".

Den "Kampf" beim Bundeskongress vergangenes Wochenende hat Öllinger verloren: "Ein Schlag in die Magengrube" sei das gewesen. Seit 1994 ist er Abgeordneter, bei der Wahl 2013 droht das Aus, hat er doch nur eine Wackelplatz auf der Wien-Liste. Ein Grund: Sozialpolitik hat keinen hohen Stellenwert bei den Grünen, findet er: "Sozialpolitik gilt leider als nicht so wichtig. Weil sie angeblich traditionell von der SPÖ abgedeckt wird und alles, was wir in dem Bereich machen, nur der SPÖ helfe", sagt Öllinger zum STANDARD. Der Sozialsprecher hat gerade ein Konzept "Krankengeld" für Ein-Personen-Unternehmen erarbeitet. Er kämpft auch für eine Staffelung der Tarife bei der Sozialversicherung, "um niedrige Einkommen zu entlastet". Einigen sei er "sicher zu links", bekennt Öllinger, der 2003 vehement gegen schwarz-grüne Koalitionsgespräche auftrat. Die "wiederkehrenden Beteuerungen, dass wir regierungsfähig sind und in eine Regierung wollen", macht ihn skeptisch, " weil ich dahinter noch keine politische Botschaft sehe".

Warum es beim Bundeskongress nicht geklappt hat, erklärt sich Öllinger auch anhand des Wahlmodus, wo jeder gegen jeden antreten kann: "Dieses System kann nicht die Ultima Ratio der Grünen sein." Die Wahlen würden " viel zu erratisch, zufallsgesteuert" ablaufen: "Schade, dass wir da nicht etwas Neues ausprobieren."

Ob er diesmal Opfer des Kampfes gegen "Silberrücken" wurde? "Ja", sagt Öllinger, "aber Silberrücken darf nicht rein auf das Alter definiert werden. Es war ein Aufstand der Jungen gegen die sogenannten Arrivierten." Aufgeben will der 61-Jährige nicht: "Ein Vorzugsstimmenwahlkampf ist sicher eine Überlegung." (Peter Mayr und Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 7.12.2012)