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Im ex-jugoslawischen Raum setzt sich derzeit die Sicht durch, dass die Namensgebung in erster Linie dem Ausdruck der ethnischen/nationalen Zugehörigkeit dienen muss.

Foto: apa

Die Gründe, wieso Eltern ihren Kindern bestimmte Vornamen geben, die diese dann - zumeist - ihr Leben lang tragen, können sehr unterschiedlich sein. Am Balkan und in der ex-jugoslawischen Diaspora setzt sich derzeit die Sicht durch, dass die Namensgebung in erster Linie dem Ausdruck der ethnischen/nationalen Zugehörigkeit dienen muss.

Diese Sicht ist das Ergebnis der Trennung der einzelnen Teilrepubliken Ex-Jugoslawiens und der zum Teil auch schon davor begonnen Nationalisierung von (Vor-)Namen, die bis heute andauert. Namen sind dadurch für viele Menschen vom Balkan zu einem Indiz für die ethnische/nationale Zugehörigkeit von Personen geworden.

Ratespiele

Was ein serbischer oder kroatischer Name ist, darüber gibt es zwar weit verbreitete Meinungen, aber keine wissenschaftlich belegbaren Nachweise. Geurteilt wird zumeist auf Verdacht hin, nicht selten werden selektiv die (Vor-)Namen Prominenter oder historischer Persönlichkeiten als Beleg für die persönliche Meinung verwendet. Das führt in vielen Fällen zu absurden Annahmen über die ethnische Zugehörigkeit von Personen.

"Šišanje" - Absurdität des Namensnationalismus

Eine Szene aus dem serbischen Film "Šišanje" (englischer Titel: "Skinning") bringt die Absurdität des Namensnationalismus auf den Punkt. In "Šišanje" wird die rechtsradikale Hooliganszene Serbiens illustriert. Im Mittelpunkt steht der junge Novica, ein Mathematikgenie, der durch seinen Mitschüler Relja zu den Hooligans eines fiktiven serbischen Fußballclubs FK Radnik kommt. Schnell entwickelt er sich zum Mastermind der Gruppe und seine rechtsradikalen Haltungen werden immer extremer.

Am Ende des Filmes kommt es dann zur berühmten Szene, in der Novica und sein Cousin aneinandergeraten. Sein Cousin, der am Anfang des Filmes noch sein einziger richtiger Freund ist, versucht Novica zur Raison zu bringen. Dieser reagiert aggressiv und wirft seinem Cousin vor, nicht mal ein Serbe zu sein. Denn der Cousin trägt den Namen Mirko, welchen Novica auf einmal mit der kroatischen MMA- und K-1-Legende Mirko Filipović in Verbindung bringt und daraus schlussfolgert, dass das ein kroatischer Name ist. Er fragt seinen Cousin weiter: "Von wo ist dein Großvater?" Dieser antwortet: "Das ist auch dein Großvater, du Idiot!" Novica erwidert: "Nicht dieser Großvater, der andere Großvater; der andere, Mirko?", und führt fort: "Hat dein Großvater Serben in Jasenovac (kroatisches Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges, Anm.) abgeschlachtet? Hat er? Hat er? Ich f* deine Ustascha-Mutter."

Ante und Srboljub

Einige Namen am Balkan enthalten tatsächlich nationale Bezüge, wie zum Beispiel die Namen Srboljub, Hrvoje oder etwa Hrvoslav und werden dementsprechend unter Personen dieser Ethnie vergeben. Per se ist es nicht ausgeschlossen, dass auch Angehörige anderer Ethnien diese Namen tragen, da sie aber eine sehr starke nationale Konnotation haben, sind sie für Personen anderer Ethnien, aber auch für Personen die sich nicht ethnisch/national identifizieren, weniger attraktiv.

Auch gibt es Namen, die wegen einschneidender Ereignisse aus der Vergangenheit unter den einzelnen Ethnien unterschiedlich in Erinnerung geblieben sind, so zum Beispiel der Name Ante. Er gehört in Kroatien zu den am häufigsten vergebenen Namen und wird in Kroatien ausschließlich unter der kroatischen Ethnie vergeben. Bei den anderen Ethnien ist dieser Name aus historischen Gründen nicht zu finden. Insbesondere deshalb, weil dieser Name in vielen Fällen die Erinnerung an Ante Pavelić (faschistischer Diktator des Unabhängigen Staats Kroatien NDH zwischen 1941-1943) weckt. Es gibt allerdings auch andere berühmte Träger dieses Namens, die nichts mit Faschismus am Hut hatten.

Namen des serbischen Premiers und des serbischen Präsidenten

Zurück in die politische Gegenwart: Menschen, die vom ethnischen Reinheitswahn und dem Glauben an die eindeutige Aussagekraft von (Vor-)Namen über die nationale Zugehörigkeit befreit sind, mögen zum Teil über die durchaus vorhandene Ironie bei Tomislav Nikolićs und Ivica Dačićs Vornamen schmunzeln. Beide sind Verfechter nationalistischer Politiken und beide sind Träger von Namen, die im Allgemeinen als "typisch kroatisch" bezeichnet werden.

Aus Sicht nationalistischer Apologeten und Vertreter des Glaubens, dass Vornamen in erster Linie zum Ausdruck der ethnischen Zugehörigkeiten vergeben werden, wie auch das alle Vornamen nationale Aussagekraft besitzen, haben sowohl der serbische Präsident als auch der serbische Premier "unvorteilhafte" Vornamen.

Internetinformationen über die Vornamen

In Internetforen wird das  Thema der Namensvergabe leidenschaftlich diskutiert, aber auch die hier verbreiteten Informationen können der (ethno-)nationalistischen Seele keine Klarheit verschaffen. Zwar gibt es auch hier Versuche, Namen ethnisch eindeutig einzustufen - ernst zu nehmen sind diese aber nicht. Die englischsprachige Wikipedia-Seite über slawische Namen fasst hingegen die südslawischen Namen u.a. in die Rubriken "slawische Namen in Kroatien" und "slawische Namen in Serbien" zusammen. In diesen Rubriken werden einige in diesen beiden Ländern häufig vorkommenden Namen (ohne jedoch die ethnische/nationale Verbundenheit der Namensträger zu differenzieren) angeführt. Auffällig ist, dass in dieser (unvollständigen) Einteilung viele Namen in beiden Ländern wiederzufinden sind.

Die Internetseite www.imehrvatsko.net hat einen anderen Zugang. Auf dieser Seite sind alle in Kroatien vorkommenden Namen zusammengefasst und (grob) anhand statistisch erhobener Daten mit der Häufigkeit der Vergabe dieser Namen unter den in Kroatien lebenden Ethnien eingestuft. Bei jedem Namen ist überdies die Information angehängt, dass die statistische Erhebung nur für Kroatien gilt und in anderen Ländern die Namen unterschiedlich zwischen den einzelnen Ethnien verteilt sein können.

Derzeit ist in den anderen ehemaligen Teilrepubliken Ex-Jugoslawiens eine ähnliche statistische Erhebung nicht zu finden. Es scheint, als müssten sich ethnozentrisch denkende Menschen wohl auf weitere Jahre der Unklarheit gefasst machen. (Siniša Puktalović, 6.12.2012, daStandard.at)