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Ich reduziere die Narkotika, bereite alles für eine sanfte Landung, ein angenehmes Erwachen vor.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Im OP. Die Patientin ist eine Lehrerin mit klarer Sprache, genau gewählten Sätzen und selbstbewusstem Ausdruck. Ihr Äußeres ist gepflegt, der Kurzhaarschnitt akkurat. Sie ist ernst, höflich distanziert, sehr nett. 

Eine Intubationsnarkose ist vorgesehen. Ich erkläre ihr die Details, während ich die Narkose einleite, beschreibe das Gefühl und kurz die Wirkung der einzelnen Medikamente, die ich injiziere. Sage ihr, dass es jetzt ein bisschen schummrig wird, der Kopf ein wenig warm, dass sie müde wird, und versichere ihr, dass sie gut aufwachen und alles in Ordnung sein wird.

Dabei versuche ich ihr das Gefühl zu geben, für sie da zu sein und auf sie aufzupassen. Ich leite ein und wünsche ihr schöne Träume.

Wenn man während der Einschlafphase die Patienten dazu motiviert, sich an ein ganz bestimmtes, konkretes schönes Erlebnis zu erinnern, dann kann es passieren, dass dieses Ereignis während der Narkose tatsächlich wieder erlebt, nochmals geträumt wird.

Selbstbewusst, kontrolliert schläft sie ein, ohne eine Miene zu verziehen. Unsere Lehrerin. Die Operation verläuft problemlos. Ich leite aus, reduziere die Narkotika, bereite alles für eine sanfte Landung, ein angenehmes Erwachen vor. Sie atmet schön, ich ziehe den Tubus heraus, es gibt kein Problem.

Unsere zuvor noch so ernsthafte Lehrerin liegt jetzt da und grinst von einem Ohr zum anderen. "Alles okay?", frage ich. Sie nickt. "Haben sie was geträumt?" Sie nickt und lächelt mich schelmisch an. Ich frage vorsichtig-neugierig: "Was denn?" Sie schaut mich an, grinst weiter, schüttelt den Kopf und sagt: "Das kann ich ihnen nicht sagen!"

Ich frage nicht weiter. Sicher nicht. (Robert Mosser, derStandard.at, 7.12.2012)