Ein Autor, dem es vor seinem selbstgeschaffenen Wesen graut: Paul Dano in dem Beziehungsstück "Ruby Sparks".

Foto: ABC-Film

Wien - Früher Erfolg kann zu einer großen Bürde werden. Niemand weiß das besser als Calvin Weir-Fields, ein Nachwuchsschriftsteller, der im zarten Alter von 19 Jahren einen gefeierten Roman geschrieben hat und seitdem als Wunderkind verehrt wird. Nach dem Debüt wurde es jedoch still um ihn, nun ist er 29 und entspricht mit seiner Hornbrille nur äußerlich dem Klischee des etablierten Schriftstellers, denn die Inspiration für ein Nachfolgebuch blieb bisher aus.

Doch dann erscheint ihm eines Nachts eine junge Frau in seinen Träumen, und die Schreibblockade scheint überwunden. Je mehr Sätze er aufs Papier bringt, desto realere Züge bekommt diese quirlige Ruby Sparks. Eine Traumfrau, die der eigenen Fantasie entspricht - und damit auch deren Grenzen, die in der ersten Euphorie noch übersehen werden.

"Ich habe mich zunächst gefragt, was in seiner letzten Beziehung so schiefgelaufen ist", erzählt US-Schauspieler Paul Dano im Standard-Gespräch über seine Rolle. "Calvins Vater ist gestorben, seitdem versucht er ein Ideal zu erfüllen und fühlt sich fast verpflichtet, als Genie zu gelten." Dano zögert, dann setzt er nach: "Er hat eigentlich Angst vor dem Leben, deshalb versucht er es zu kontrollieren."

Der 1984 geborene New Yorker ist einer der ungewöhnlichsten Schauspieler seiner Generation. Danos sanfte Gesichtszüge, sein ein wenig schwermütiger Blick und das verschleppte Sprechen prägen sich ein. Er ist keiner dieser Nachwuchsdarsteller, die wie geklont aussehen, Dano verfügt über eine ganz eigene, kostbare Präsenz.

Mit Jonathan Dayton und Valerie Faris, dem Regie-Paar hinter Ruby Sparks, hat er schon in deren Filmerfolg Little Miss Sunshine zusammengearbeitet. Er spielte einen besonders verschlossenen 16-Jährigen, der sich selbst ein Schweigegelübde auferlegt: ein stummer Part, das passt zu Danos Expressivität.

Gewalt zwischen Paaren

Dass er sich für Ruby Sparks, diese Neudeutung des Pygmalion-Mythos, entschieden hat, liegt aber hauptsächlich an Zoe Kazan, der Darstellerin der Titelfigur, mit der Dano auch im richtigen Leben liiert ist. Die 29-jährige Enkelin der Hollywoodlegende Elia Kazan hat auch das Drehbuch des Films geschrieben - eine als leichtfüßige Komödie beginnende Liebesgeschichte, die langsam immer pathologischere Züge annimmt und schließlich die Gewalt dieser Paarkonstruktion anschaulich macht: "Viele Männer haben über diesen Mythos geschrieben, ich wollte aber aus der Perspektive der Betroffenen erzählen. Das fühlt sich anders an", sagt Zoe Kazan, die sich in Beziehungen oft allein gefühlt hat: "Auch wenn dich jemand ständig anblickt, heißt das noch lange nicht, dass er dich auch sieht."

Kazan und Dano sind davon überzeugt, dass die Selbstverständlichkeit und Initimität im wechselseitigen Umgang auch für die Rollen von Vorteil war: "Nicht dass es ganz ohne Herausforderungen blieb", sagt Dano, "aber ich denke, dass es den Figuren noch etwas hinzugefügt hat. Es macht definitiv mehr Spaß, sich für einen Part zu begeistern, der Konflikte zu bewältigen hat. Das war auch bei dieser Rolle so - Calvin durchlebt große Gefühlsschwankungen."

Auffällig an Danos Rollenwahl ist ohnehin ein besonders ausgeprägter Geschmack für Regisseure und Filme, die stilistische Eigenheiten aufweisen und sich dem Mainstream widersetzen. In Paul Thomas Andersons There Will be Blood gibt es die berühmte Milkshake-Szene zwischen ihm und Daniel Day-Lewis. Er war einer der verirrten Siedler in Kelly Reichardts Western Meek's Cutoff, zuletzt wirkte er in dem Science-Fiction-Drama Looper und in So Yong Kims Drama For Ellen mit, in dem er für die Rolle eines mit sich selbst ringenden Musikers viel Lob erhielt.

"Diesen Typ zu spielen hat mir wirklich sehr viel Freude gemacht, er ist ein narzisstisches Arschloch", sagt Dano. Auf Regisseure und guten Stoff achte er besonders: "Wenn ein guter Regisseur ein schlechtes Drehbuch verfilmte, dann würde ich mir mit der Entscheidung ziemlich schwertun. Will man als Schauspieler etwas riskieren, dann muss man mit Leuten arbeiten, denen man vertraut - nur denen gegenüber ist man bereit, alles zu geben. Ich glaube, dass eine gute Darstellung so lange unwichtig ist, bis sie in einem guten Film geschieht."

So ist Paul Dano, der schon in der Highschool erste Schauspielerfahrungen sammelte ("Es war wie Basketball oder Football"), erstaunlich reflektiert und uneitel. Mit der Hysterie um Startum kann er deshalb auch nicht viel anfangen: "Ich will die Rollen spielen, die mich reizen. Leider erfordert dies ein gewisses Maß an Exponiertsein." Wieder dieses Zögern: "Für mich ist das einer der Nachteile des Berufs - man muss bekannter werden, um die Dinge machen zu können, die man gerne macht." (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 6.12.2012)