Tierversuche für die Herstellung fertiger Kosmetika sind in der EU seit 2004 verboten. Dennoch befinden sich noch in vielen Kosmetika Inhaltsstoffe, die im Ausland getestet wurden.

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Mit März 2013 sollte eigentlich die "Kosmetikrichtlinie" in Kraft treten. Dadurch würde ein EU-weites Verbot für den Import von Inhaltsstoffen für Kosmetik, die an Tieren getestet wurden, sichergestellt. Die Europäische Kommission erwägt nun jedoch Ausnahmen. Das Argument: Es gebe noch nicht genügend alternative Methoden. "Das ist inakzeptabel", kritisiert EU-Parlamentarier Jörg Leichtfried im Gespräch mit derStandard.at. Die Unternehmen hätten sich eben besser auf die Umstellung vorbereiten müssen - auch wenn sie dafür mehr Geld ausgeben müssen.

derStandard.at: Tierversuche für die Herstellung fertiger Kosmetika sind in der EU seit 2004 verboten. Allerdings dürfen bislang Produkte eingeführt werden, deren Inhaltsstoffe bei Tierversuchen außerhalb der EU erprobt wurden. Wie kann der Konsument sich informieren und diese Produkte meiden?

Leichtfried: Bislang kaum und nicht ausreichend. Es sollte eine Kennzeichnungspflicht geben, wodurch die Konsumenten klar erkennen können, was sie kaufen.

derStandard.at: Die EU-Kommissarin für Wissenschaft und Forschung, Máire Geoghegan-Quinn, verweist auf einen Bericht, wonach in den nächsten zehn Jahren mit keinem Ersatz von Tierversuchen bei Kosmetikinhaltsstoffen zu rechnen ist. Wie kann es sein, dass man vier Monate vor Umsetzung der Richtlinie herausfindet, dass ein Verbot doch noch nicht durchführbar ist?

Leichtfried: Das ist eigentlich eine Frechheit. Das Problem ist, dass Gesetze beschlossen werden und die Kommission mit wissendem Auge zusieht, wie eine Situation eintritt, durch die eine Umsetzung nicht eingehalten werden kann. Das ist meiner Meinung nach ein massiver Fehler der Kommission gewesen.

Es ist vollkommen inakzeptabel, was die Kommission jetzt möchte. Die Unternehmer hatten lange genug Zeit, sich darauf einzustellen und vorzubereiten.

derStandard.at: Die Übergangsfrist dauerte fast ein Jahrzehnt. Wieso wird auf Unternehmen Rücksicht genommen, die es jahrelang verabsäumt haben, Alternativen zu finden? Sie haben bei der Kommission nachgefragt: Wie wird argumentiert?

Leichtfried: Die Antwort war relativ vage. Es wird argumentiert, dass es noch einiger Forschungsanstrengungen bedarf, um das durchzuführen. In Wahrheit ist das ein Einknicken vor den Gewinnmargen der Kosmetikindustrie. Ich kann mir keinen Test in der Kosmetikindustrie vorstellen, der nicht innerhalb von zehn Jahren alternativ zu lösen gewesen wäre. Die Frage ist, ob man entsprechend investieren will. Es ist in Wahrheit eine Augenauswischerei.

derStandard.at: Derzeit wird in der EU zudem ein Netz von Validierungslabors eingerichtet. Was wird dort erarbeitet?

Leichtfried: Dort wird eigentlich das nachgeholt, was die Industrie versäumt hat: Möglichst schnell tierversuchsfreie Testverfahren zu entwickeln und zu validieren. Der finanzielle Aufwand liegt nun auf Seiten der EU.

derStandard.at: Kommt es durch eine Verschiebung der endgültigen Umsetzung des Importverbots nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten jener österreichischen Produzenten und Händler, die sich konsequent an das EU-Recht halten?

Leichtfried: Ja selbstverständlich. Das ist in vielen Bereichen der Fall. Einige Unternehmen kümmern sich rechtzeitig und zahlen dann aber drauf. Das gleiche Problem hatten wir schon bei dem Verbot von Batterielegehennen für die Eier-Produktion.

derStandard.at: Rund 70 Millionen Euro werden durch die EU jährlich für Tierschutz ausgegeben. Wissen Sie, in welche Bereiche das Geld in diesem Jahr floss?

Leichtfried: Das ist sehr weit verzweigt und hier werden unter Umständen Bereiche hinein gerechnet, die nicht unmittelbar mit Tierschutz zu tun haben. Ich kann mir vorstellen, dass das auch in die Landwirtschaft investiert wird. Mir kommt diese Zahl überhöht vor.

Man sollte sich endlich einmal klar dazu entschließen, Tierschutz zur Unionskompetenz zu machen. Dadurch könnten Maßnahmen zentral gesetzt werden. Es liegen viele Bereiche im Argen. Man muss sich nur die Langstreckentiertransporte oder den Haustierhandel ansehen. Es gibt kaum einheitliche Tierschutzstandards in der EU, das ist alles recht unkoordiniert. (Julia Schilly, derStandard.at, 5.12.2012)