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Verbindungsschüler mit "Deckel" und "Couleur". Die Degen dienen bei katholischen Verbindungen jedoch nur der Dekoration

Foto: APA/Öllerer

Steyr - Auf den ersten Blick sieht Maximilian Halbartschlager mehr nach " Swag" denn nach Studentenverbindung aus. Statt brauner Segelschuhe trägt der 18-Jährige Sneakers, und obenrum ersetzt ein schlichtes weißes Shirt das erwartete Ralph-Lauren-Hemd. Auch dass der junge Mann jedes Wochenende eine andere Blondine in den Armen hält, kommt mir absurd vor. Nur bei genauerer Beobachtung lässt sich ein äußerliches Indiz für die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung finden: Die Haare hat sich der Gymnasiast akribisch mit Gel in Form gebracht.

Dieser erste Absatz enthält etliche Stereotype - doch sind es noch die harmloseren Assoziationen, wenn ich sie mit den Meinungen meiner Mitschüler vergleiche. Dabei bin ich mir sicher, dass die wenigsten überhaupt einen Schüler aus einer Verbindung kennen. Genau wie ich. Aus diesem Grund habe ich die 1957 gegründete Mittelschulverbindung Lamberg besucht.

Über 160 Verbindungen

Studentenverbindungen gibt es schon seit dem 12. Jahrhundert, also seit genau jener Zeit, als auch die ersten Universitäten in Europa entstanden. Im Vergleich dazu sind die katholischen Mittelschulverbindungen noch verhältnismäßig jung: Die älteste von ihnen wurde 1859 gegründet. Mittlerweile gibt es 160 Verbindungen, die im Mittelschüler-Kartell-Verband organisiert sind.

Maximilian ist vor zwei Jahren über einen Freund Mitglied geworden, der ihn öfters mit in das Verbindungslokal - auch Bude genannt - genommen hat. Von Beginn an habe ihm dort imponiert, dass sich 70-Jährige mit 17-Jährigen auf Augenhöhe unterhalten, außerdem sei der Gemeinschaftssinn stark ausgeprägt. "Der Spaß kommt auf der Bude selbstverständlich auch nicht zu kurz", meint der Schüler.

Auf den ersten Blick schaut die Bude aus wie ein mittelalterlicher Keller im Steyrer Stadtkern: Die alten Holzdielen knarren, über der Tür wacht ein imposantes Hirschgeweih, und an den Wänden hängen jahrzehntealte Fotos ehemaliger Verbindungsmitglieder.

Die paar Bierkrüge auf dem U-förmigen Tisch lassen die Vermutung aufkommen, dass ein hoher Alkoholkonsum und ausgiebiges Feiern auch Teil der oft kritisch beäugten Kultur sind. Ein Zimmer weiter merke ich, dass der Anachronismus spätestens beim Feiern haltmacht: Die stimmungsvoll beleuchtete Bar wird geziert von einer Sitzecke inklusive Flatscreen und riesigem Kühlschrank.

Im Grunde genommen ist der MKV nicht politisch orientiert. Doch die vermittelten Werte wie Heimatverbundenheit, Traditionsbewusstsein und Glauben decken sich mit der ÖVP, der auch viele Mitglieder nahestehen. Oft wird Studentenverbindungen vorgeworfen, dass ihre Mitglieder sich die Führungspositionen innerhalb der ÖVP zuschieben.

Maximilian räumt ein, dass die Mitgliedschaft im MKV durchaus als Sprungbrett in die Politik fungieren kann, wie die prominenten Mitglieder Leopold Figl, Julius Raab und Michael Spindelegger bewiesen haben. Gleichzeitig kann die Mitgliedschaft im Kartellverband auch zum Nachteil werden. "Von Antisemitismus bis hin zum Vorwurf, ich würde einer Sekte oder einem Zusammenschluss von Verschwörungstheoretikern angehören, ist mir schon jede Anschuldigung untergekommen", sagt der Schüler. Rechtfertigen muss er sich regelmäßig, etwa, wenn er beim Fortgehen mit Deckel und Couleur - also mit Kappe und Uniform - gesehen wird, was einige Passanten als Provokation empfinden.

Strenge Hierarchie

Wenn im Schulunterricht über Burschenschaften gesprochen wird, richten sich stets alle Blicke auf ihn. Ein Missverständnis: Katholische Studentenverbindungen unterscheiden sich deutlich von Burschenschaften. Sie distanzieren sich von nationalistischem Gedankengut, beziehen sich auf den katholischen Glauben und führen keine Mensur durch, da dies sich nicht mit dem Glaubensbekenntnis der Nächstenliebe vereinbaren lässt. Der Fechtkampf wird bei Burschenschaften als Initiationsritus ausgetragen.

Solange man sich mit diesen Grundprinzipien identifiziere, so erzählt Maximilian, könne jeder Schüler, ganz gleich von welchem sozialen Status, welcher sexuellen Orientierung oder ethnischen Herkunft, Mitglied werden.

Eine strenge Hierarchie gibt es dennoch: Füchse, also Probemitglieder, werden dazu verdonnert, Bier zu "exen", die Bude zu putzen oder andere leidige Aufgaben zu erledigen. Das verschwörerische Lächeln, das Maximilian mit seinem älteren Bruder austauscht, ebenfalls Mitglied der Verbindung, lässt erahnen, dass beide die Rituale nur allzu gut aus eigener Erfahrung kennen. (Edda Reiter, DER STANDARD, 5.12.2012)