Auch in Rot, Grün, Gelb, Grau, Schwarz und Weiß verblüffend einfach: der Project Debut Carbon, zum besten Plattenspieler 2012-2013 gewählt.

Foto: Hersteller

Mag sein, dass der Musikprofessor Schilder in Gänserndorf den Anstoß zum Erfolg von Pro-Ject gab, als er den Schüler Heinz in den Siebzigerjahren für genaues Zuhören begeisterte.

Es mag dazugekommen sein, dass dieser Schüler nicht gut genug musizieren konnte und sich dafür fanatisch auf die technische Wiedergabe von Musik verlegte. Ein Spinner, sagten seine Freunde, denen Mopeds wichtiger waren - aber sie ließen sich von ihm beraten, welche Geräte zum wirklich guten Ton gehörten.

Und sicher hat es geholfen, dass Heinz, mittlerweile Herr Lichtenegger, als junger Angestellter in Hi-Fi-Läden immer den Spagat suchte zwischen den bombastischen Wünschen der Kunden und seiner Überzeugung, dass weniger mehr ist und die einfachen Anlagen die besten fürs Geld sind.

Jedenfalls ist er heute - und das ist sogar für ihn immer noch irgendwie überraschend - Chef eines Unternehmens, das Abspielgeräte erzeugt, nach Stückzahlen laut eigenen Angaben weltweit führend, überallhin exportierend und noch dazu in einem Bereich, der vor fast 30 Jahren totgesagt wurde: Plattenspieler. Ausgerechnet.

Totgesagte leben länger

Man muss allerdings sagen, dass der kuriose Lauf der Dinge und, wie so oft, der Zufall ebenfalls ihren Anteil an dieser Geschichte hatten. Denn einerseits leben Totgesagte bekanntlich länger. Nachdem die Allianz aus Sony, Philips und Karajan verkündet hatte, dass digitale CDs die Zukunft der Musik seien, sahen die Konsumenten dies auch so, kauften die billiger produzierten, aber teurer ausgepreisten Scheiben und warfen Vinylplatten und deren Spieler mit der Zeit auf den Müll.

Das war in den Achtzigern, als viele große Erzeuger schrumpften, billiger produzieren mussten oder überhaupt eingingen, Thorens, Dual, Garrard, Lenco und wie sie alle hießen. Nur die enge Nische der DJs und die kaum breitere Sparte von Traditionalisten und hartnäckigen Audiophilen hielten an LPs fest. Für die einen gab's den kampferprobten Technics 1210, für die anderen, wenn sie sich's leisten konnten, ausgefeilte Meisterleistungen von Kleinerzeugern bis zu Exemplaren am Rande des Irrsinns und zu Preisen im höheren fünfstelligen Bereich - in Euro umgerechnet. Mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis von CD-Playern konnte, so schien's, keiner mithalten.

Nun kam andererseits, es war kurz vor der Ostöffnung, der Zufall ins Spiel, in der Person einer Bekannten von Heinz Lichtenegger. Die zeigte ihm einen Turntable, "an dem eigentlich fast alles richtig war, also entkoppelter Motor, gut gelagerter Tonarm, Riemenantrieb", genau nach dem Geschmack des Puristen.

Das Gerät, erfuhr er, kam aus einem Werk in Litovel bei Olmütz (damals CSSR), das gerade einging und sein Lager verschleuderte. Lichtenegger kaufte es auf, modifizierte ein wenig und war den Bestand - auch aufgrund des niedrigen Preises - schnell los.

Österreichisch-tschechisch-slowakisches Unternehmen

Pro-Ject 1 war sein erster Erfolg, von stereoplay in Deutschland bis zu Magazinen in der audiophilen Hochburg Großbritannien sozusagen in höchsten Tönen gelobt. Statt hunderte Stück wollte der Markt nun tausende. "Aber es dauerte sechs Jahre, bis wir die Kontrolle über das Werk hatten." Daraus ist ein österreichisch-tschechisch-slowakisches Unternehmen geworden, das Pro-Ject-Player in allen Preisklassen produziert, dazu Verstärker und Lautsprecher, ebenfalls von der puristischen Art.

Es stimmt, Lichtenegger entwickelt mittlerweile auch Plattenspieler um 10.000 Euro und mehr, für etwas mehr Perfektion "gehen die Preise logarithmisch in die Höhe. Dafür gewinnen wir dadurch Erkenntnisse für die preisgünstigen Geräte."

Die sind immer noch das Kerngeschäft. Ab 300 Euro kostet der Debut Carbon (siehe Bild oben), der vor kurzem den EISA-Preis (European Imaging and Sound Association) für "best turntable 2012-2013" gewann. Carbon bezieht sich auf den Tonarm, ein Teil, das auch von der schottischen Edelschmiede Linn eingebaut wird.

Langer Atem der Pro-Jektierer

Nun würde das alles wenig nützen, wenn nicht noch etwas dazukäme, etwas, das den langen Atem der Pro-Jektierer rechtfertigte: dass nämlich der groß angekündigte Siegeszug der CDs bekanntlich ins Stottern geraten ist. Auf der einen Seite sind sie von MP3, Streaming- und Cloud-Plattformen bedroht, auf der anderen von unzufriedenen Hörern und von einer wachsenden Zahl vor allem unter dem Nachwuchs, der dem Ritual des Plattenauflegens und der Ästhetik der LP-Covers (wieder) etwas abgewinnen kann.

Eine kleine Umfrage unter Wiener Vinyl-Händlern wie Teuchtler, SingSing, Rave up oder Bücher Ernst ergab, dass immer mehr junge Käufer die Klassiker im Original haben wollen - das heißt hier Beatles, Stones, Led Zeppelin, Doors e tutti quanti. Auch der neu eröffnete MediaMarkt in Wien Mitte führt sie, teure 180-Gramm-Pressungen neben CDs, die verscherbelt werden. Das Publikum kauft sie und kauft auch die Pro-Jects im audiophilen Eck des Geschäfts.

Denn Lichtenegger ist, nicht zuletzt dank der Einsteigergeräte in sieben Farben, der Schritt zum Massenmarkt gelungen. Masse ist natürlich relativ, es ist immer noch eine Nische. Doch er stellt immerhin rund 60.000 Stück im Jahr her, Tendenz steigend so wie bei der Vinylproduktion, für die sich Musiker von den Wiener Symphonikern bis Neil Young starkmachen, wegen des weicheren, besseren Klangs. Es gebe mittlerweile wieder mehr als 50 Turntable-Hersteller, sagt Lichtenegger, und er möchte weiter vorne dranbleiben. "Vor allem in den USA - dort explodiert gerade der Markt." (Michael Freund, Rondo, DER STANDARD, 7.12.2012)