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Viele Diabetespatienten nutzen zum Stechen die vordere Fingerkuppe, dabei schmerzt der Stich in die Seitenflächen weniger.

Foto: REUTERS/Radu Sigheti

Rund Rund 570.000 Millionen an Diabetes mellitus erkrankte Menschen sind in Österreich registriert. Viele messen ihren Blutzuckerspiegel selbst mit einem Messgerät, oft mehrfach am Tag. Dafür wird mit einer Stechhilfe durch einen Stich in den Finger ein kleiner Tropfen Blut gewonnen.

Vor allem Patienten, bei denen der Diabetes erst kürzlich festgestellt wurde, sind dabei unsicher: Ist der erste Tropfen Blut für die Messung "sauber" und damit aussagekräftig genug? Was kann ich tun, um Schmerzen zu vermeiden? Muss es immer ein Stich sein oder sind schon technisch ausgereiftere Geräte auf dem Markt, die ohne Stich funktionieren? Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) geben Auskunft.

Der zweite Tropfen ist nicht nötig

Um ihren Blutzucker zu messen, stechen sich Diabetespatienten vor jeder Messung mit einer feinen Nadel in die Haut an der Fingerspitze. Anschließend bringen sie den austretenden Tropfen Blut auf einen Teststreifen auf. Diesen führen sie in das Messgerät ein und warten, bis der Blutzuckerwert in der Ergebnisanzeige erscheint.

"Immer wieder kursiert das Gerücht, dass es womöglich sicherer wäre, erst den zweiten Tropfen Blut für die Messung zu verwenden", berichtet Andreas Fritsche, Pressesprecher der DDG aus Tübingen. Das ließe sich klar verneinen. Eine Studie aus dem Jahr 2011 zeigt: Wer sich die Hände vor dem Stechen mit Wasser und Seife wäscht und gut abtrocknet, erhält mit dem ersten Tropfen Blut sogar noch etwas genauere Messwerte als mit dem zweiten Tropfen. "Der zweite Tropfen sollte nur genommen werden, wenn der Finger verschmutzt ist und es keine Möglichkeit gibt, sich die Hände zu waschen", betont Fritsche. Die Verwendung von Desinfektionsmitteln ist nicht notwendig.

Unmittelbar vor der Blutentnahme ist es sinnvoll, Arm oder Hand kurz auszuschütteln, alternativ den Finger leicht zu massieren. "Das regt die Durchblutung an und erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Blutprobe", erklärt Lutz Heinemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetologische Technologie der DDG. "Man muss dann nicht so tief stechen." Extreme Temperaturen, ob Kälte oder Hitze, sollten Patienten bei der Blutentnahme möglichst meiden.

Seitenflächen der Fingerkuppe sind Schmerz-unempfindlicher

Wo sollte man stechen? Kleiner Finger, Mittel- und Ringfinger eignen sich am besten, denn sie werden im Alltag nicht so häufig gebraucht wie Zeigefinger oder Daumen. Viele Diabetespatienten nutzen zum Stechen die vordere Fingerkuppe - dabei bieten sich die Seitenflächen der Fingerkuppe viel eher an. "Denn dort ist die Zahl der Nervenenden geringer, wodurch das Stechen weniger schmerzt", sagt Andreas Fritsche.

Gleichzeitig sind die Gefäße dort dichter, die Blutversorgung damit besser. Um den Blutstropfen zu gewinnen, sicherheitshalber nur leicht drücken. Ob zu festes Drücken den Blutzuckerwert durch Gewebewasser verfälschen kann, ist wissenschaftlich derzeit noch ungeklärt.

Wer Schmerzen vermeiden will, sollte zudem die Stechhilfe - also die Lanzette in der Stechhilfe - regelmäßig wechseln, am besten nur einmal oder wenige Male verwenden. Grund: Die Lanzette wird beim Einstechen stumpf und verletzt die Haut bei mehrmaligem Gebrauch zusätzlich. "Zu häufig verwendete Lanzetten gehören zu den wichtigsten Schmerz verstärkenden Faktoren", betont Heinemann. Darüber hinaus birgt eine benutzte Lanzette die Gefahr einer Infektion. Nach der Blutentnahme ist es wichtig, den Finger zu reinigen und den benutzten Teststreifen zu entsorgen.

Nur noch 0,3 Mikroliter Blut benötigt

Moderne Testgeräte benötigen heute nur noch 0,3 Mikroliter Blut für eine erfolgreiche Glukose-Messung. Zum Vergleich: In den achtziger Jahren waren noch 20 bis 30 Mikroliter notwendig. "Eine Reduktion um den Faktor 100", betont Heinemann. "Es hat sich also viel verbessert in den vergangenen Jahrzehnten."

Trotz vielfältiger Bemühungen sei es jedoch bisher nicht gelungen, Geräte zu entwickeln, die im Alltag so zuverlässig messen, dass das Stechen in absehbarer Zeit durch eine unblutige Technik ersetzt werden könne, meint der DDG-Experte. „Technisch ist es allerdings heute schon möglich, praktisch schmerzfreie Stechhilfen herzustellen, die jedoch teuer sind", erklärt Heinemann. „Das würde die Lebensqualität der Menschen mit Diabetes deutlich verbessern." (red, derStandard.at, 4.12.2012)