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Das Polizeihauptquartier in "E-1".

Foto: AP/Schalit

Für die internationalen Freunde des Friedensprozesses war das Wiederaufrollen des israelischen Siedlungsbauprojekts "E-1" diese Woche genau ein Punkt zu viel in dem, was die israelischen Minister als Reaktion auf die Aufnahme Palästinas als Staat in die UNO beschlossen hatten. Die Genehmigung 3000 neuer Wohnungen in Siedlungen und die Kürzung von Steuerrückzahlungen wären ohne das Reizwort "East 1" wohl gemäß der Nahost-Routine mit dem Wort "besorgt" von USA, EU, Russland und UNO zur Kommentar-Sammlung ins Regal gestellt worden. Doch der internationale Wortprotest fiel diesmal heftiger aus als üblich. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach sogar von einem "beinahe tödlichen Schlag" für den Frieden. Warum sorgt dieses "E-1" für derartigen Wirbel?

Erstmals 1999 bewilligt, später jedoch wieder auf US-Druck eingefroren, sollte der Siedlungsblock "E-1" auf einem Gebiet von 12 Quadratkilometern die jüdischen Siedlungen in Ostjerusalem mit der Großsiedlung Ma‘ale Adumim verbinden. Vorgesehen wären darin Wohnungen für rund 20.000 Siedler, Hotels und kommerzielle Infrastruktur. Die Konsequenzen für Palästinenser wären fatal: der Siedlungsblock würde das palästinensische Ostjerusalem noch weiter vom Westjordanland abschneiden, als das durch die Sperrmauer ohnehin schon der Fall ist. Und der schmale Verbindungskorridor zwischen dem nördlichen und südlichen Westjordanland wäre damit fast zur Gänze gekappt.

Ein Keil vor Ostjerusalem

Das Gebiet auf dem "East-1" gebaut werden soll besteht hauptsächlich aus wüstenähnlicher Hügellandschaft, die sich vom Jordantal und dem Toten Meer, an der 40.000-Einwohner Siedlung Ma'ale Adumim vorbei, bis nach Ostjerusalem erstreckt. Auf einem der Hügel thront ein israelisches Polizei-Hauptquartier. Ein Straßennetzwerk wurde bereits angelegt, bleibt jedoch für Zivilisten geschlossen. In den engen Tälern haben sich teilweise Beduinen niedergelassen, denen dem ursprünglichen Plan nach Zwangsumsiedlung drohen würde. Doch einige Jahren lang wird es auch ohne US-Druck nicht dazu kommen, weil die israelische Regierung nicht etwa den Baubeginn, sondern nur die Weiterentwicklung des Projekts genehmigt hat. Rund 1000 Beduinen in der Gegend könnte jedoch schon früher die Räumung drohen. Dafür gibt es bereits einen gesonderten Plan.

Der Grund für die internationale Entrüstung über "East 1" ist jedoch nicht das Schicksal der Beduinen in dem Gebiet, sondern die potenzielle Langzeitwirkung des Bauvorhabens. Denn die weitere Zerteilung des von Siedlungen durchlöcherten Westjordanlandes in unzusammenhängende palästinensische Einzelteile dürfte im Falle von Friedensverhandlungen selbst die besten Kartenzeichner vor eine unlösbare Aufgabe stellen. Auch würde E-1 einen 12-Quadratkilometer großen israelischen Keil zwischen Palästinenser in Ostjerusalem und Palästinensern im Westjordanland schieben. Diesen wieder zu entfernen dürfte schwierig werden. Und hier liegt ein weiteres Problem für zukünftige Lösungsansätze des Konflikts: mit jeder neuen Siedlung wächst die Zahl der Siedler, und mit ihnen die Abhängigkeit der israelischen Regierung von deren Interessen. Die internen Vorwahlen in der regierenden Likud-Partei haben diesen politischen Trend bereits angedeutet, indem radikale Siedler-Vertreter die oberen Listenplätze der Partei erobert haben.

Siedlungsring

Folgt man den Details vergangener Friedensverhandlungen, ist ein palästinensischer Staat neben Israel eine Grundvoraussetzung für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts. In jedem Fall ist ein Staat Palästina an der Seite Israels die Lösung für die chronische Heimatlosigkeit der indigenen palästinensisch-arabischen Bevölkerung, die ein international anerkanntes Recht auf Selbstbestimmung hat. Dieses Recht hat die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) nun im Rahmen der UNO-Anerkennung als staatliches Nicht-Mitglied bekräftigt, und sollte möglichen Friedensverhandlungen nicht im Weg stehen. Die israelische Regierung sieht das anders, und fasst den Schritt als Provokation auf, wenn es auch nur um einen Staat am Papier geht. Der Siedlungsbau zerstört hingegen weiterhin die Aussicht auf zwei friedlich nebeneinander existierende Staaten, und das nicht nur am Papier.

"East 1" ist dabei nur ein Teil strategisch motivierter israelischer Bauvorhaben, die Ostjerusalem vom Westjordanland abkoppeln, obwohl es die Hauptstadt eines zukünftigen Palästinenserstaates werden soll. Ein mögliches "E-1" neben Ma'ale Adumim, gemeinsam mit dem Ring jüdischer Siedlungen in Ostjerusalem und der Route der israelischen Sperrmauer, könnte aus Ban Ki-moons Prophezeiung eines "beinahe tödlichen Schlags" für den Frieden bald ein "tödlicher" werden. Wenn die USA und die Europäische Union weiterhin nur Drohungen aussprechen, auf die keine Taten folgen, wird die israelische Regierung weiterhin den Status-Quo ausbauen, bis er zur einzigen Alternative wird, weil eine Lösung am Verhandlungsweg nicht mehr möglich ist.