Zunächst eine kurze Klarstellung: Nein, wir gehören nicht zur verschworenen Gruppe der "Tatort-Seher". Hier geht es vielmehr um einen Selbstversuch: Tatort 2.0, sozusagen, denn von der langlebigen Reihe erinnern wir uns nur an einen Jingle, der Verbotenes ankündigte (sehr früh), und einen griesgrämigen Kommissar im Parka (etwas später), der uns stets viel sympathischer erschien als der ihn verkörpernde Schauspieler.

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Bei Keppler, ermittelndes Organ in Leipzig, verhält es sich anders. Martin Wuttke hat uns auf Theaterbühnen schon oft begeistert; als "Tatort"-Kommissar wirkte er in Todesschütze allerdings noch in seinem Missmut ein wenig verloren. Das Problem ist bei einer Regie zu suchen, die ihn auch dann noch im Raum stehen lässt, wenn er gar nichts mehr zu sagen hat. So nickt er halt ein wenig verdrossen. Oder schnattert seine Kollegin (Simone Thomalla) an, die ständig "Bingo!" ruft, wenn sich neue Indizien auftun.

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Auf Twitter gibt es übrigens eine Fangemeinde von "Tatort"-Zusehern, die die jeweilige Folge wie ein Fußballspiel live begleiten. Da geht es einerseits um Dinge wie die Frisur von Martin Wuttke (sein "comb-over" sei das wahre Verbrechen), aber auch um eine Verdeutlichung des Gesagten. Die Dialoge oder einzelne Sätze daraus entwickeln aus dem Geschehen herausgelöst (bzw. -getwittert) eine fast surreale Qualität:

"Fahren Sie den Kollegen mal nach Hause. Er muss seine Hose holen. Sie könnte ein wichtiges Beweismittel sein." Nein, an den holprigen Dialogen hat sich im Lauf der Jahre nicht allzu viel geändert, auch wenn die Storys jetzt tagesaktueller anmuten. Dafür teilt man seinen Sehfrust mittlerweile mit vielen anderen - und vergisst dabei mitunter aufs Zusehen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 4.12.2012)

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derStandard.at: Forum zum Sonntagabendkrimi: Leipziger "Tatort" Top oder Flop?

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