Wien - Rapid suhlt sich weiterhin in der Depression. Herr Sacher-Masoch muss ein Hütteldorfer gewesen sein. Da schafft es der über die Grenzen Wiens hinaus legendäre Verein in der Meisterschaft dreimal hintereinander zu gewinnen, und trotzdem schreit keiner in TV-Kameras oder sonst wohin: "Hurra, die Krise ist bewältigt, das Selbstvertrauen passt, wir reißen dem Wald die Bäume aus." Diese Schüchternheit zeugt allerdings auch von Realismus und Vernunft. Das Resultat ist nämlich nicht die einzige Wahrheit im Fußball. Wobei das 4:3 gegen Ried natürlich gilt.

Alle im Normalfall relevanten Statistiken dominierten die Gäste aus dem Innviertel. Bei den Torschüssen (23:13), im Zweikampfverhalten (53 Prozent gewonnen), den Ball hatten sie öfters (53 Prozent), das Eckenverhältnis war fast schon wurscht (10:6). Rapid hat mehr Fouls begangen (31:20), das zeugte von Schwäche. Gewöhnlich werden die Guten gelegt. "So eine Partie muss man einmal gewinnen", hätte einer sagen können. "Das ist ein Zeichen von Klasse", wäre auch ganz brauchbar gewesen. Nein, sie beließen es bei der Floskel: "Es zählen im Moment wirklich nur die Punkte."

Trainer Peter Schöttel bemängelte, dass ein 4:1-Vorsprung, so zufällig er auch zustande gekommen sein mag, fast noch hergeschenkt wurde. " Unerklärlich." Und er langweilte sich selbst: "Es ist im ganzen Herbst für alle Beteiligen sehr schwierig, ihren Job auszuüben. Die Köpfe sind nicht frei. Die schönen Spiele wird es bis zur Winterpause nicht mehr geben." Das klingt irgendwie traurig. "Es geht im Moment nur um Punkte." Sechs weitere drohen. Es gibt nämlich Komplizierteres auf dieser Welt als ein Heimspiel gegen Innsbruck und eine Partie in Wiener Neustadt. Das letzte Gruppenspiel der Europa League am Donnerstag im Happel-Stadion gegen Metalist Charkiw ist zur Nebensache verkommen. Wobei es kein Ziel ist, als einziges der 48 Teams punktlos zu bleiben.

Einbruch und Einflüsse

Gegen Ried waren nur 11.800 Zuschauer im Hanappi-Stadion, andere Klubs würden über so eine Zahl jauchzen. Bei Rapid ist sie fast ein Einbruch. Teile der Fans protestieren seit Wochen gegen die Manager Stefan Ebner und Werner Kuhn, Präsident Rudolf Edlinger ist schon einmal beliebter gewesen. Schöttel hat gelernt, "mit diesen Einflüssen zu leben".

Aber es gibt auch Positives, quasi die Manie in der Depression. Steffen Hofmann fällt nicht darunter, der Kapitän hat nach seiner Augen- und Oberschenkelverletzung Trainingsrückstand, ließ sich erneut zu Pause auswechslen. Der Helfer wirkt hilflos. Hilfreich ist Deni Alar, der gegen Ried drei Tore erzielte, den Unterschied ausmachte. So oft hat der 22-Jährige in nur einem Ligaspiel noch nie getroffen. Allerdings war er davor in Kapfenberg engagiert, dort hätte das maximal Lionel Messi geschafft.

Alar ist ein schüchterner Typ, keine Wuchtelschleuder, er reift trotzdem oder deshalb langsam zur Führungskraft. Er selbst sagt: "Jeder, der den Ball hat, muss ein Führungsspieler sein. Ich habe Selbstvertrauen, treffe praktisch alles." Schöttel lobte ihn. "Er ist aus der zweiten Reihe hinter einem Stoßstürmer sehr effektiv. Weil er schlau ist und einen Instinkt hat." Alar versicherte, nicht depressiv zu sein. Immerhin. Und der Frühling kommt bestimmt. (Christian Hackl, DER STANDARD, 03.12.2012)