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Carney hat sich eher als innovativer Praktiker denn als großer Theoretiker einen Namen gemacht.

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Grafik: derStandard.at/IWF

Die britische Notenbank hat einen neuen Chef. Erstmals in der 318-jährigen Geschichte der Bank of England (BoE) wird ein Ausländer, der kanadische Notenbankchef Mark Carney, an der Spitze der traditionsreichen BoE stehen. Mr Carney beerbt Sir Mervyn King, der nicht zuletzt wegen der schwachen britischen Wirtschaft immer wieder kritisiert wurde.

Carney, der vom britischen Premierminister David Cameron monatelang umworben wurde, hat einen schweren Job vor sich. Die Erwartungen der Briten sind jedenfalls hoch, wie das offizielle Lob von Finanzminister George Osborne zeigt: "Mark Carney is the outstanding candidate to be Governor of the Bank of England and help steer Britain through these difficult economic times. He is quite simply the best, most experienced and most qualified person in the world to do the job." 

Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist es aber schwierig, sich ein genaues Bild von dem viel gelobten Mr Carney zu machen. Denn im Vergleich zu Mervyn King kann Carney nicht auf unzählige akademische Publikationen zurückblicken, in denen er seine Vorstellungen von guter Geldpolitik dargelegt hat. Wer Herrn Carney kennen lernen möchte, sollte etwa die Reden lesen, die auf der Webpage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich von ihm zu finden sind. Darin argumentiert er etwa immer wieder, dass Zentralbanken auch aktiv gegen Blasen auf Immobilien- oder Wertpapiermärkten agieren sollten, und nur eine effektive Regulierung Bankenkrisen verhindern kann.

Wie Carney selbst sagt, geht er mit seinem Wechsel nach England dorthin, "wo die Herausforderung am größten ist". Die britische Wirtschaft liegt nach der Immobilienblase immer noch danieder. Selbst im Vergleich zur Eurozone, die in einer anhaltenden Krisensituation feststeckt, fällt Großbritannien zurück (siehe Grafik). Und das, obwohl einzelne Länder in der Eurozone unter drastisch gestiegenen Zinsen leiden. Das Wachstumsmodell des Inselstaat steht tatsächlich vor einer großen Herausforderung. Es ist noch alles andere als sicher, welchen geldpolitischen Eindruck der neue Zentralbanker hinterlassen wird. Das Wall Street Journal weiß nicht so recht, was es vom neuen Gouverneur in London halten soll. Ob er die Geldpolitik weiter lockert, um die schwächelnde britische Wirtschaft zu stützen bleibt abzuwarten.

Ob Carney die Wirtschaft mit weiteren Anleihenkäufen unterstützen wird, ist fraglich. Er gilt nicht als Freund von mehr Quantitative Easing. Aber Carney wird wohl auf mehr Kommunikation setzen, um die Notenbankpolitik effektiver zu machen. 2009 hat er Investoren versprochen, die Zinsen in Kanada für 15 Monate bei 0,25 Prozent zu halten, solange sich der Inflationsausblick nicht ändere. Die US-Notenbank Fed machte ihm diese langfristige Notenbankpolitik nach und verrät ebenso, wo die Zinsen in einem, zwei oder drei Jahren stehen werden. Andere Notenbanken, allen vor an die orthodoxe EZB, betonen hingegen stets, dass sie sich nicht im Voraus festlegen ("pre-commitment").

Carney hat sich damit eher als innovativer Praktiker denn als großer Theoretiker einen Namen gemacht. Die britische Regierung lobt ihn etwa dafür, dass er an der Spitze der kanadischen Notenbank die schlimmsten Schocks von der Wirtschaft abgewendet habe. Es ist aber wohl fraglich, ob er zu der Funktionsweise des kanadischen Bankensektors und der relativen Stärke der Wirtschaft allzu viel beigetragen hat. 

Interessant ist vielmehr, ob der Kanadier seine Rolle als Reformer durchziehen wird. Als Leiter des Financial Stability Board hat er sich einen Namen damit gemacht, neue, strengere Regeln für das Finanzsystems einzufordern. In Reden spricht er davon, die Banken zu mehr Eigenkapital zu zwingen. Zudem hat sich die Bank of England im Skandal um die Zinsmanipulation von Libor nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das soll Carney ändern.

Das könnte ihm bei den Banken viele Feinde bringen. Ob er zu diesem Konflikt bereit ist, muss er beweisen. Carney ist nicht nur Oxford-Alumnus, sondern auch Teil des Goldman-Netzwerks. 13 Jahre war er bei der Investmentbank tätig. Bei der Bank of England nimmt er sich deutlich weniger Zeit. Nur fünf Jahre wird Carney in London bleiben, obwohl normalerweise acht Jahre Amtszeit vorgesehen wären. Damit wirkt sein Engagement bei der Bank of England nach einem Zwischenstopp. 

 

 

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