Momentan zeigt sich ein bedenkliches Bild unserer derzeitigen Arbeitswelt. Mir persönlich sind in meinem Familien- und Bekanntenkreis zwei derartige Fälle aufgefallen, die ich hier kurz schildern möchte.

Ein junger Mann, der vor einiger Zeit sein Studium abgeschlossen hat und dem es gelungen ist, auf Grund seines hervorragenden Abschlusses einen Job in einer Forschungsgruppe der Uni Wien zu bekommen, wartet seit drei Monaten immer noch auf sein Gehalt. Zudem ist es den Verantwortlichen auch noch immer nicht gelungen, seinen Dienst-Vertrag aufzusetzen.

Bemerkenswert ist für mich - und das lässt auf eine große Begeisterung und Identifikation mit seiner Arbeit schließen - dass er dort weiter mit Engagement arbeitet, obwohl immer noch kein Geld auf dem Konto ist. Hätte dieser junge Mann nicht Eltern, die ihn finanziell unterstützen können, hätten wir wohl einen Obdachlosen mehr, der der Gesellschaft auf der Tasche liegt.

Der zweite Fall ist die Geschichte einer 70-jährigen Frau, die freiberuflich bei einer Firma arbeitet, wöchentlich ins westliche Niederösterreich pendelt und nun, wie es auch schon im Vorjahr passiert ist, seit einiger Zeit auf ihr Geld wartet. Klar, dass sie Angst hat, mit der Miete in Rückstand zu kommen, sie weiß ja auch nicht, wie es weitergehen soll.

In beiden Fällen geht es um eine erbrachte Arbeitsleistung, bei der sich die Verantwortlichen erlauben, sich mit der Entlohnung einfach Zeit zu lassen. Das ist für mich, abgesehen von der rechtlich bedenklichen Seite, der Tatbestand der Ignoranz und persönlichen Missachtung.

Randgruppen im Eck

Ich frage mich, welche Werte in unserer Gesellschaft noch gelten? Ist es grundsätzlich so, dass auf die altersmäßigen Randgruppen automatisch gepfiffen wird, mal abgesehen davon, dass auch einige andere Randgruppen, wie Ausländer und Asylanten von dieser Ignoranz betroffen sind? Die einen, nämlich die Jüngeren, sind noch nicht so etabliert, dass sie beachtet werden müssten, die anderen, die Älteren, sind schon jenseits des Alters, das als leistungsfähig und engagiert gilt?

Für mich entsteht das Bild einer Gesellschaft, in denen sich immer mehr diejenigen durchsetzen, die bloß darauf schauen, wie und wo sie Kosten sparen können, zu Lasten derjenigen, die nicht so eine starke Lobby haben. "Egal, was mit anderen passiert, Hauptsache ich habe meine Schäfchen im Trockenen," scheint die Devise zu sein.

Dazu kommt, und das ist nicht zu unterschätzen, die Angst der Jungen und Alten, dass sie aus dem Arbeitsprozess rausgeschmissen werden, wenn sie aufmucken und beginnen ihre Rechte zu vertreten. Das ist eine Realität, die mir in meinem privaten Umfeld verstärkt auffällt und ich fürchte, dass es in der betrieblichen Realität und bei Menschen, die beispielsweise in einer Scheinselbständigkeit arbeiten, noch viel schlimmer ist.

Wem geht es noch gut?

Abgesehen davon, dass Solidarität und Loyalität schon länger keine Werte mehr sind, zeigt sich an genau diesen beiden Beispielen, was es heißt, nicht zur Hauptzielgruppe der Konsumgesellschaft zu gehören. Besonders gut zu beobachten in der Vorweihnachtszeit, wo es scheinbar ausschließlich um die Prozentsatzerhöhung beim Weihnachtsgeschäft geht.

Jedenfalls die beiden, oder auch andere Junge und Alte, können wohl im heurigen Jahr zu dieser Erhöhung nichts beitragen, was den Satz ad absurdum führt: "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut! (Leserkommentar, Linda Köhler, 4.12.2012, derStandard.at)