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Dittrich (22): "Eine tolle, aufregende Zeit."

Foto: APA/Fohringer

Wien - Nichts hat gefehlt. Gestern gab Nina Dittrich in der Breitenseer Kaserne ihren prallgefüllten Bundesheer-Rucksack zurück. Sie hatte ihn nie ausgepackt, die Gefahr, etwas anzubauen, war relativ gering. Ende November rüstet Dittrich ab, sie war Sportsoldatin, das Bundesheer bot ihr drei Jahre lang die Basis, professionell zu schwimmen. Zu mehr hat es am Ende nicht gereicht, weder zu mehr Jahren noch zu größeren Erfolgen. Natürlich heimste sie viele Meistertitel ein, natürlich hält sie einige Rekorde. Jenen über 1500 Meter Kraul (16:23,63) erzielte sie bei der EM 2010 als Sechste, jenen über 200 Meter Delfin (2:09,85) bei Olympia 2008 in Peking, wo sie knapp das Semifinale verpasste.

Dittrich rüstet also ab, weil sie aufhört. Vor einer Woche feierte die Wienerin den 22. Geburtstag - kein Alter für eine Schwimmerin. Schon gar nicht für eine, der so viel Talent bescheinigt wurde. Sie schien es geerbt zu haben von Vater Kurt und Mutter Ulrike, die Anfang der 80er zur heimischen Elite zählten. Nina, vom Vater trainiert, belegte als Zwölfjährige bei Olympischen Jugendtagen in Paris einen zweiten Platz. Sie gehörte "in ihrer Altersklasse zu den Weltbesten", sagte Kurt. Viele trauten ihr eine Mirna-Jukic-mäßige Karriere zu. 2006 hatte Nina nach drei Jugend-EM-Medaillen tatsächlich Jugend-WM-Bronze geholt, was noch keiner Österreicherin gelungen war.

Schwimmen in Wien

"Ich denke, es wäre mehr möglich gewesen", sagt Nina Dittrich nun. "Aber sicher bin ich mir da auch nicht." Wollte sie nicht mehr, weil sie nicht mehr konnte, oder konnte sie nicht mehr, weil sie nicht mehr wollte? Tatsache ist, dass es für Schwimmer in Wien immer schwieriger wurde. Die Stadthallenbadmisere führte dazu, dass Dittrich oft ins Ausland fahren musste, um gut trainieren zu können. Im Winter half die Stadionbad-Überdachung. Im Sommer müssen die Schwimmer um neun Uhr das Becken verlassen, weil die Badegäste eintreffen, und am Nachmittag stehen ihnen zwei Bahnen zur Verfügung. "Da ist das Wasser vom Sonnenöl schon völlig trüb", sagt Nina Dittrich. "Und daneben springen die Badegäste ins Wasser", sagt Kurt. "Das ist, als müssten unsere Skifahrer am Pistenrand neben den Skitouristen trainieren."

Heuer in London nahm Nina ein zweites Mal an Olympia teil, sie hatte keine Chance aufs Semifinale. Kurt Dittrich sagt, der Aufwand sei dennoch "enorm" gewesen. Nina wurde vom Bundesheer unterstützt, von Top Sport Austria aber nicht. Und Kurt musste sich die Trainingsaufenthalte im Ausland zur Hälfte selbst finanzieren. Die andere Hälfte kam von der Stadt Wien, quasi zur Stadthallen-Wiedergutmachung. "Gut, wenn es jetzt für Rio 2016 eine mehrjährige Planung gibt", sagt Kurt. "Aber London war gar nicht gut geplant."

"Wollte dableiben"

Nina Dittrich absolviert derzeit in der ORF-Sportredaktion ein viermonatiges Praktikum, es taugt ihr sehr. Danach kann sie sich ein Eventmanagement-Studium an einer Fachhochschule vorstellen. Sie sagt, dass sie in einem anderen Land unter anderen Bedingungen vielleicht erfolgreicher geschwommen wäre. Ein Studium samt Training in den USA ist kurz ein Thema gewesen. "Ich hätte aber kein Vollstipendium bekommen. Ich hätte viel riskieren müssen, das hab ich mich nicht getraut. Ich wollte dableiben." Und wäre sich auch irgendwann irgendeine Medaille ausgegangen, "hätte ich mir davon auch nichts kaufen können". Jammern will sie aber nicht. "Ich hab' es mir ja so ausgesucht, und es war eine tolle, aufregende Zeit."

Kurt sagt, jetzt beginne "ein anderer Lebensabschnitt". Er meint Ninas Leben, nicht seines. Kurt Dittrich wird weiterhin darauf warten, dass sich in der Stadthalle etwas tut, und weiterhin ins Stadionbad fahren. Auch weil Nina einen "kleinen" Bruder hat. Nikolaus ist 19 Jahre alt und 1,93 Meter groß. Und ein ziemlich talentierter Schwimmer. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 28.11.2012)