Ameneh Schneider musste aus dem Iran auswandern.

Foto: ACR/Kisling

Als Ameneh Schneider (damals Ameneh Khadem-Missagh) den Concours, die harte Universitäts-Aufnahmeprüfung im Iran, mit Bravour absolvierte, war sie eine große Hoffnung. "Aus einer Million Kandidaten, von denen nur 46.000 genommen wurden, erreichte ich Rang 3000", erinnert sie sich. " Das heißt, ich durfte studieren, was ich wollte." Also begann sie an einer amerikanischen Hochschule südlich von Teheran mit dem Chemie-Studium.

Nach einem Semester war es vorbei. 1979 hatte die islamische Revolution das Land überrollt, und als Mitglied der Bahai, einer religiösen Minderheit, wurde ihr der Zugang zur Universität verwehrt. Ihre Pläne, in die USA auszuwandern, wurden durch die Geiselnahme in der US-Botschaft (derzeit im Kinofilm Argo zu sehen) durchkreuzt, an ein Visum war nicht zu denken. "Da habe ich beschlossen, in Österreich mein Glück zu versuchen", sagt die Chemikerin.

Mithilfe eines dreimonatigen Touristenvisums und ihres Bruders, der bereits in Wien verheiratet war, reiste sie aus und bekam eine Zulassung zum Studium an der TU Wien. "Für mich ist eine Welt zusammengebrochen, aber es war klar, dass nun Österreich meine Heimat ist", sagt Schneider. Nach ihrem Doktorat 1989 wurde sie Staatsbürgerin - und ist seither in verschiedensten Forschungsfeldern tätig.

Zuerst entwickelte sie bei der Lenzing AG neue Zellstoffprodukte und Spezialfasern, danach arbeitete sie an neuen Druckfarben. Später war sie freiberuflich als Beraterin für Forschungsaktivitäten von Firmen unterwegs. Nebenbei legte sie den Lehrgang "Eco-Design" ab und landete dann bei der tribologischen Forschung, also der Lehre von Reibung, Verschleiß und Schmierung.

Patentierte Flüssigkeit

Im Austrian Centre of Competence for Tribology in Wiener Neustadt war Schneider für Projektleitung und -management zuständig. Zuletzt ließ die Chemikerin eine von ihr entwickelte ionische Flüssigkeit, die als Schmierstoff dient, patentieren. Seit gut einem Jahr mischt sie die Baubranche auf: Am Forschungsinstitut der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZfi) ist sie dabei, die Zementforschung auszubauen. Als Frau ist sie dabei "absolut in der Minderheit".

Vergangene Woche stellte sie ein essenzielles Gerät für ihre künftige Arbeit vor: "Morphologi G3-ID" kann unterschiedlichste Partikel mikroskopisch untersuchen und dabei ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften bestimmen. Die Apparatur ist erst die zweite ihrer Art, die in Europa in Betrieb genommen wurde, und wird innerhalb des Austrian Cooperative Research-Netzwerkes (ACR) von mehreren Forschungsinstituten genutzt - ein Pilotprojekt des Wirtschaftsministeriums.

Als Spezialistin für Rheologie beschäftigt sich Schneider insbesondere mit dem Verformungs- und Fließverhalten von Materie. "Im Bereich Zement, Leim und Beton gibt es in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern noch kaum Forschung dazu", sagt sie. In Zukunft wird sie sich vor allem mit neuen Zementrezepturen und Ökozement, der umweltfreundlicher hergestellt werden kann, beschäftigen.

Der Iran beschäftigt die Mutter zweier Töchter noch immer. In ihrem Wohnort Brunn am Gebirge engagiert sie sich als Mitglied des geistigen Rates der dortigen Bahai-Gemeinde gegen die Verfolgung ihrer Religion im Iran. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 28.11.2012)