Zu Wochenbeginn wurde das größte Stahlwerk Italiens, Ilva in der süditalienischen Hafenstadt Taranto, stillgelegt. 5000 Beschäftigte werden arbeitslos. Für Süditalien, wo sich die Jugendarbeitslosigkeit auf 35 Prozent, die allgemeine Beschäftigungslosenrate auf zwölf Prozent beläuft, ist dies ein schwerer Schlag.

Auch für den Staat steht viel auf dem Spiel. Denn die Kosten der von der "Stahlfamilie" Riva beschlossenen Stilllegung werden auf neun Mrd. Euro, etwa acht Prozent der Wertschöpfung der süditalienischen Region Apulien geschätzt. Das ist nicht alles. Laut Berechnungen stellt die Schließung des größten italienischen Stahlwerks die Versorgung von 5,5 Mio. Tonnen Stahl, etwa 40 Prozent des gesamten heimischen Bedarfs, infrage. Und noch ist nicht sicher, inwieweit der Produktionsstopp Schatten auf die übrigen Riva-Stahlwerke in Norditalien mit weiteren 15.000 Beschäftigten wirft.

Regierungschef Mario Monti hat für Donnerstag eine Ministerratssitzung einberufen, um ein "Notdekret" zu verabschieden. Die Regierung steckt in einem Dilemma. Sollte die Stahlschmelze dauerhaft dicht gemacht werden, wäre dies ein herber Schlag für den Arbeitsmarkt. Andererseits geht es um die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung. Dem Eigentümer des Stahlwerks, der Unternehmerfamilie Riva, wird vorgeworfen, nicht ausreichend gegen Staub-und Rauchemissionen vorgegangen zu sein. Schlimmer noch. Die Manager des Stahlwerks sollen Behörden bestochen haben, um die Emissionswerte zu verheimlichen. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurde Dioxyn emittiert. Innerhalb der letzten 13 Jahre sollen 386 Angestellte an Krebs gestorben sein.

"Zwei Krebskranke mehr oder weniger im Jahr spielen keine Rolle", soll Konzerngründer Emilio Riva gesagt haben. Er steht ebenso wie Sohn Fabio, Vizepräsident des Stahlkonzerns, und sieben Manager unter Hausarrest. Sie stehen im Verdacht fahrlässiger Tötung und Korruption.

Stahlriese mit Problemen

Der Parteichef der "Grünen", Angelo Bonelli, fordert die Beschlagnahmung aller Güter der Unternehmerfamilie. "In Taranto gibt es keinen Kampf zwischen Gericht und dem Unternehmen. In Taranto herrscht ein sanitärer und ökologischer Notstand, der durch die Unverantwortlichkeit eines Unternehmers und die Absenz der Politik herbeigeführt wurde, begründet Bonelli seine Forderung.

Der Riva-Konzern zählt mit einem Umsatz von zehn Mrd. Euro und einer Produktion von 16 Mio. Tonnen zu den zehn größten Stahlköchen Europas. Allein 8,5 Mio. Tonnen entfielen dabei auf Ilva. Das entspricht etwa einem Drittel der gesamten Stahlproduktion in Italien. Seit 1995 hat Riva nach eigenen Angaben rund fünf Mrd. Euro in das Stahlwerk, davon 1, 2 Mrd. Euro in den Umweltschutz investiert. Die Regierung Monti hatte bisher bereits 335 Mio. Euro lockergemacht, um die Umweltschäden in Taranto zu beseitigen. Angeblich wurden bereits EU-Gelder angefordert. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 28.11.2012)