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Demonstranten vor dem Parlament in Budapest: "Freie Wahlen! Demokratie!"

Foto: dapd/Marjai

Kritiker sehen darin eine weitere Maßnahme der rechtsnationalen Regierung Orbán zur Absicherung ihrer Macht.

 

Mit den Stimmen der rechtsnationalen Regierungsmehrheit beschloss das ungarische Parlament am Montagabend eine Novelle der Wahlordnung. Wer ab den nächsten Parlamentswahlen, voraussichtlich im Frühjahr 2014, wählen will, muss sich spätestens bis 15 Tage vor dem Wahltermin beim zuständigen Wohngemeindeamt registrieren lassen. Das kann auch via Internet geschehen.

Die Registrierungspflicht war im Vorfeld heftig umstritten. Premier Viktor Orbán und seine Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) taten sich schwer, eine schlüssige Begründung zu liefern. Der Verweis auf die USA fiel deshalb wenig überzeugend aus, weil dort keine Meldepflicht besteht (siehe Wissen). In Ungarn muss man hingegen - ähnlich wie in Österreich - seinen Wohnsitz anmelden, weshalb die Wählerevidenz der Gemeindeämter in den vergangenen 22 Jahren auch klaglos funktionierte.

In der Debatte am Montag meinte der Fidesz-Abgeordnete Gergely Gulyás, man wolle "keinen Unterschied" zwischen Wählern im Inland und jenen ethnischen Ungarn in Nachbarländern machen, die neuerdings die ungarische Staatsbürgerschaft erwerben können. Mangels eines Wohnsitzes in Ungarn müssen sich Letztere in jedem Fall registrieren lassen, wenn sie wählen wollen.

Die Opposition erblickt in der Registrierungspflicht hingegen eine bürokratische Hürde, um spät entschlossene Spontanwähler und bildungsferne Schichten von den Urnen fernzuhalten. Orbán spüre, dass ihm die Felle davonschwimmen; durch Änderung der Wahlgesetze wolle er dafür sorgen, dass er auch nach 2014 an der Macht bleibe, hieß es. Der liberale Verfassungsrechtler László Majtényi qualifiziert die Registrierungspflicht als "Einschränkung des allgemeinen Wahlrechts" und als "Entrechtung der Bürger".

Gleichfalls am Montag beschloss die Regierungsmehrheit neue, willkürlich erscheinende Beschränkungen für den Wahlkampf. Demnach dürfen die Parteien in den privaten Fernseh- und Radiosendern und in lokalen privaten Medien keine Wahlwerbung schalten. Damit verlagert sich die Kampagne vor allem in die Plakatwerbung und in die öffentlich-rechtlichen Rundfunkmedien - Segmente, die von Fidesz-nahen Geschäftsleuten bzw. Fidesz-Parteileuten kontrolliert werden. Ein Verbot der Wahlwerbung im Internet wurde im letzten Moment aus der Gesetzesvorlage gestrichen.

Eklat um "jüdische Liste"

Noch vor der Abstimmung und ohne Bezug dazu kam es zu einem Eklat, als Márton Gyöngyösi, ein Abgeordneter der rechtsextremen Partei Jobbik ("Die Besseren"), in einer Anfrage wegen des Gazakonflikts verlangte, man möge eine "Liste jüdischstämmiger Personen in der Regierung und im Parlament zusammenstellen, weil diese ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen". Der Staatssekretär im Außenministerium, Zsolt Németh, dem die Anfrage galt, stammelte nur etwas in der Art, dass "die Zahl der jüdischstämmigen Regierungsmitglieder mit dem besagten (Gaza-)Konflikt nichts zu tun" habe. Erst am Dienstagvormittag zog die Regierung nach und verurteilte in einem Kommuniqué die Äußerungen Gyöngyösis vollinhaltlich. (Gregor Mayer aus Budapest /DER STANDARD, 28.11.2012)