"Jeder Trainer hat eine bestimmte Vorstellung vom Spiel und wie seine Mannschaft diese auf den Platz bringt. Dazu braucht es eine Zeit der Einflussnahme, mit Handauflegen geht es nicht."

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"Du musst klare Vorgaben haben und die Spieler müssen sie umsetzen. Wenn sie die Vorgaben verstanden haben, weil sie ihnen vorher per Argumentation erklärt wurden, dann ist es einfach."

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"Als Spieler hatte ich Franz Beckenbauer als Vorbild, weil mir seine elegante Art, sein eifriges Tun und seine Strebsamkeit sehr gefallen haben. Leider hat er immer einen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt. Er war ein unglaublich fleißiger und disziplinierter Mann."

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Edi Stöhr lenkt seit dieser Woche die Geschicke des Erste-Liga-Schlusslichts FC Blau Weiß Linz. Der Trainer-Routinier analysiert die aktuelle Misere der Linzer ganz trocken und mit einer Prise Humor, verrät jedoch im Interview mit derStandard.at nicht prompt, mit welchem Plan er die Linzer wieder in höhere Tabellensphären manövrieren will.

Stöhr weiß, dass "das Fußballgeschäft kein Wunschkonzert ist" und er bemängelt, dass "die Netzwerke nicht wirklich durchschaubar sind". Er zählt Franz Beckenbauer, der "leider immer einen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt hat", Johan Cruyff und Arrigo Sacchi zu seinen Vorbildern. Auch Ralf Rangnick, Jürgen Klopp, das Spielsystem von Borussia Dortmund, sowie das ÖFB-Team stehen bei ihm hoch im Kurs.

derStandard.at: Sie sind neuer Trainer von Blau Weiß Linz, dem Tabellenletzten der Ersten Liga...

Edmund "Edi" Stöhr: Das hört sich so hart an, wenn Sie das sagen.

derStandard.at: Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen.

Stöhr: (lacht) Müssen wir?

derStandard.at: Ja leider! Aber nun zur eigentlichen Frage: Was ist das reizvolle für Sie an dieser Aufgabe?

Stöhr: Das liegt auf der Hand. Unabhängig davon, dass Linz eine wohnenswerte Stadt ist und dass die Bedingungen hier nach dem Umzug ins Linzer Stadion, wo wir die gesamte Infrastruktur nützen können, Erste Liga tauglich sind und unabhängig davon, dass es für mich wieder eine andere Stadt ist, wo ich leben und arbeiten kann, ist es tatsächlich der Tabellenplatz und die Schwierigkeit der Aufgabe, die mich reizen.

derStandard.at: Nach dem Motto "Es kann nur besser werden"?

Stöhr: (lacht) Nein, wir arbeiten hier nach keinem Motto, aber es muss schon besser werden, wenn wir das Ziel erreichen wollen, nicht abzusteigen.

derStandard.at: Haben Sie schon Ursachenforschung betrieben, warum Blau Weiß Linz im Moment so schlecht da steht?

Stöhr: Ja, da genügt allein der Blick auf die Tabelle. Weil man, überspitzt formuliert, die meisten Gegentore bekommen, die wenigsten geschossen und die wenigsten Siege errungen hat. Alles andere wäre momentan von oben herab beurteilt, wie ich meine, weil ich noch viel zu kurz da bin. Meine Einflussnahme-Möglichkeit beschränkt sich im Moment auf zwei, drei Dinge, die ich vorgebe. Von denen ich aber auch unbedingt erwarte, dass sie umgesetzt werden. Ein wirklicher Einfluss kann erst im neuen Jahr ausgeübt werden und da hoffe ich auch, dass er sich auswirkt.

derStandard.at: Ihre Erkenntnisse aus der 0:3-Niederlage in Grödig?

Stöhr: Solche Spiele sind schwer einzuordnen. Es soll nicht als Entschuldigung klingen, aber wenn man in den ersten Minuten ein Gegentor kriegt und man Tabellenletzter ist, dann ist man natürlich erst einmal erschrocken. Grödig gehört in dieser Liga zu den Spitzenmannschaften und sie hatten auch einen dicken Hals, weil sie zuvor dreimal verloren haben. Insgesamt ungünstige Voraussetzungen um erfolgreich Fußball zu spielen. Aber ich habe trotzdem den einen oder anderen Ansatz gesehen, der mir gefallen hat. Und auch das eine oder andere, was wir abstellen müssen. Das aber sind Dinge, die im Moment nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

derStandard.at: Sie werden mir demnach auch nicht den Plan verraten, wo die Hebel anzusetzen sind?

Stöhr: Doch, das kann ich Ihnen verraten, aber nicht heute. Da müssten wir Anfang Jänner noch einmal miteinander reden. Jetzt wäre das zu kurzfristig. Jeder Trainer hat eine bestimmte Vorstellung vom Spiel und wie seine Mannschaft diese auf den Platz bringt. Dazu braucht es eine Zeit der Einflussnahme, mit Handauflegen geht es nicht. Für das nächste Spiel (Anm.: letztes Spiel vor der Winterpause gegen Hartberg) bleibt uns nichts anderes übrig, als alle Kräfte zu mobilisieren und zwei, drei Stellschrauben, die man auch wirklich bewegen kann, zu drehen, in der Hoffnung dass hinterher etwas dabei herauskommt.

derStandard.at: Ihre Stärken als Trainer?

Stöhr: Schwer zu sagen. Ich bilde mir ein, dass ich über meine langjährige Erfahrung ein gutes Bild vom Spiel erarbeitet habe. Ich bilde mir ein, dass ich relativ schnell eine Mannschaft durchblicken kann, wie sie Fußball spielt. Und ich bilde mir auch ein, dass ich relativ schnell einzelne Spieler als Sportler aber auch als Persönlichkeit beurteilen und diese Eindrücke auch relativ schnell zu einem Gesamtgefüge zusammenbringen kann, das funktioniert. Ich glaube, dass ich ein sehr kommunikativer Mann bin, dass ich sehr viel Verständnis für die Spieler aufbringe, allerdings aber auch klare Vorgaben habe und um die Einhaltung dieser Vorgaben sehr bemüht bin.

derStandard.at: Stichwort Kommunikation. Inwieweit lassen Sie mit sich reden?

Stöhr: Ich interessiere mich für die Leute in meinem Umfeld. Ich möchte wissen, was für Burschen sie sind, wie sie über Ihren Beruf und den Fußball denken. Natürlich ist es so, dass wir nicht darüber diskutieren können, was wir in Zukunft machen, aber ich muss mir Eindrücke holen können, was der einzelne über gewisse Situationen denkt.
Darüber hinaus funktioniert es nicht, das zeigt die Erfahrung. Man muss klare Vorgaben haben und die Spieler müssen sie umsetzen. Wenn sie die Vorgaben verstanden haben, weil sie ihnen vorher per Argumentation erklärt wurden, dann ist es einfach.

derStandard.at: Welchen Anteil hat der Trainer am Erfolg der Mannschaft?

Stöhr: Das ist unterschiedlich. Es gibt ganz unterschiedliche Typen und auch Erfolg ist etwas Relatives. Beim FC Barcelona, einer Mannschaft wo die weltbesten Fußballer zusammen kicken, wo jeder weiß, was er zu tun hat, kann man auch einen Übungsleiter draußen hinstellen. Anderswo ist es möglicherweise schwieriger, weil die Rahmenbedingungen und die Qualität der Spieler nicht so gut sind. Dann muss sich der Trainer etwas einfallen lassen.
Als Beispiel möchte ich an Gladbach vor zwei Jahren erinnern, als Favre eine völlig verunsicherte Mannschaft übernommen und diese noch zum Klassenerhalt geführt hat. Solche Leute haben einen ungeheuren Prozentsatz am Erfolg.

derStandard.at: Welche Trainer haben Sie geprägt?

Stöhr: Als Spieler hatte ich Franz Beckenbauer als Vorbild, weil mir seine elegante Art, sein eifriges Tun und seine Strebsamkeit sehr gefallen haben. Leider hat er immer einen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt. Er war ein unglaublich fleißiger und disziplinierter Mann. Als Spieler hat er mir genauso gefallen wie Johan Cruyff. Als Trainer, das muss ich zugeben, hat mir auch Cruyff gefallen, oder auch Leute wie  Arrigo Sacchi, die den Fußball neueren Datums geprägt haben. Mir gefallen auch Typen wie Jürgen Klopp oder Ralf Rangnick, der in Hoffenheim die Spielidee revolutioniert hat. Davon hat sicher auch Klopp profitiert.

derStandard.at: Bilden Sie sich regelmäßig weiter?

Stöhr: Das gehört zu meinen Pflichten. Ich muss regelmäßig Kongresse besuchen, weil sonst meine Lizenz nicht weiter läuft. Und ich bin in der Tat bemüht auf dem neuesten Stand zu sein. Und diese Weiterbildung passiert vor allem, indem ich sehr viel Fußball gucke, auch international.

derStandard.at: In welche Richtung entwickelt sich der moderne Fußball?

Stöhr: Ich glaube, dass es nicht mehr viele Entwicklungsmöglichkeiten gibt, weil die Spieler fast ausgereizt sind, was die physischen Voraussetzungen betrifft. Auf ganz hohem Niveau ist es letztendlich eine Frage des Einzelnen. Es entscheiden einzelne Spieler, weil sie den Tick besser sind als andere. Aber mir am nächsten kommt ein Stil, wie ihn Dortmund praktiziert. Mit großartiger Defensivarbeit oder Arbeit gegen den Ball, wie es neudeutsch heißt, mit schnellem Umschalten in beide Richtungen. Das ist ein sehr attraktives Spiel, bedarf aber einer sehr hohen Aufmerksamkeit bei jedem einzelnen und auch der Bereitschaft mitzumachen.

derStandard.at: Sie waren auch schon Trainer von Al-Gharafa in Katar. Eine interessante Abwechslung zum Trainergeschäft in Europa?

Stöhr: Damals war ich Assistenztrainer von Wolfgang Sidka. Ich wollte einfach dieses Land kennen lernen und ich muss gestehen, es war sehr interessant. Die Spieler dort sind sehr talentiert, wie andere südländische Spieler sehr ballverliebt aber leider nicht gewillt, an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit zu gehen. Wobei man Verständnis haben muss, weil man glaubt gegen eine Wand zu laufen, wenn man bei 45 Grad aus dem Haus geht. Unfassbar, ohne Klimaanlage stirbt man da förmlich. Das war eine Herausforderung.

derStandard.at: Sie haben als Trainer bereits über 20 Jahre Erfahrung. Haben Sie ein Karriereziel?

Stöhr: Die Problematik liegt darin, dass das Fußballgeschäft kein Wunschkonzert ist und dass die Netzwerke nicht wirklich durchschaubar sind. Ich bin glücklich, wenn ich arbeiten kann. Je höher das Niveau desto besser, aber ich wäre auch mit großer Leidenschaft Nachwuchstrainer, weil ich Fußballtrainer bin und mich das Umfeld und der Umgang mit Menschen interessieren.

derStandard.at: Ist Österreichs Fußball auf einem guten Weg?

Stöhr: Absolut! Das, was ich bei der Nationalmannschaft abgesehen vom 0:3 gegen die Elfenbeinküste sehe, ist ein guter Trend. Dazu hat sicher auch Koller aber auch die Entwicklung der einzelnen Spieler beigetragen. Baumgartlinger, Ivanschitz, Prödl aber vor allem Arnautovic haben sich gemausert. Wenn man sich anschaut, mit welcher Seriosität der junge Mann jetzt in Bremen zu Werke geht, dann glaubt man fast er ist ein anderer. In dem Moment, in dem sich Spieler sportlich und persönlich entwickeln, kann man sagen, dass ein Team und in diesem Fall die österreichische Nationalmannschaft richtig gute Burschen hat. Und mit denen kann man auf Dauer sicher wieder einmal eine Qualifikation überstehen.  (Thomas Hirner, derStandard.at, 28.11.2012)