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Der Verein "Selbstlaut" hat die Broschüre erstellt und reagiert gelassen auf Kritik: "Unser Ziel ist es gewesen, das, was normalerweise nicht sichtbar gemacht wird, sichtbar zu machen."

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Eltern empören sich auf Facebook. Am Dienstag hatte die Seite 67 "Likes".

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Claudia Schmied hält an der Broschüre fest. Der Passus über die Leihmutterschaft wird überarbeitet.

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Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung gestellte Unterrichtsmaterialen zur Sexualaufklärung sorgen für Wirbel. Der Verein "Selbstlaut", der die Broschüre im Auftrag des Unterrichtsministeriums erstellt hat, reagiert jedoch gelassen auf Kritik von ÖVP, FPÖ und BZÖ. Die Parteien haben parlamentarische Anfragen an Unterrichtsministerin Claudia Schmied gerichtet, weil sie das Idealbild der "Kernfamilie" bedroht sehen, da gleichgeschlechtliche Paare gleichberechtigt dargestellt werden. (derStandard.at berichtete)

Christa Jordan-Rudolf, Vorstandsmitglied des Vereins "Selbstlaut", sagt dazu im Gespräch mit derStandard.at: "Unser Ziel ist es gewesen, das, was normalerweise nicht sichtbar gemacht wird, sichtbar zu machen." Es gebe Kinder, die sich homosexuell fühlen, oder Kinder, die uneindeutige Geschlechtsteile haben, so die Psychologin. "Es geht darum, Diskriminierungsstrukturen aufzubrechen."

Zielgruppe PädagogInnen

Bei der Broschüre handle es sich um einen Leitfaden für PädagogInnen, der als Grundlage für den Unterricht dienen soll. Der Verein "Selbstlaut" arbeitet seit 20 Jahren in diesem Bereich, setzt vor allem Initiativen, um sexuelle Gewalt an Kindern zu verhindern. An dem nun in Kritik geratenen Bericht "Ganz schön intim" haben die Mitglieder des Vereins - darunter LehrerInnen, PolitikwissenschafterInnen und PsychologInnen - mehrere Monate gearbeitet. 

Die ÖVP kritisierte auch, dass eine Leihmutterschaft als mögliche Alternative für die Erfüllung eines Kindeswunsches dargestellt werde, obwohl diese in Österreich verboten ist. Jordan-Rudolf dazu: "Uns ist bewusst gewesen, dass die Leihmutterschaft in Österreich verboten ist. Man kann aber nicht annehmen, dass es keine Kinder gibt, die nicht so auf die Welt kommen."

Keine direkte Kritik

Die Kinder bereits im Volksschulalter über Sexualität aufzuklären, findet Jordan-Rudolf legitim: "Das prinzipielle Interesse an kindlicher Sexualität haben Kinder von Anfang an."

Jordan-Rudolf ärgert, dass die Kritik an den Unterrichtsmaterialien nicht direkt an den Verein gerichtet wird, sondern zunächst anonym verfasst und an das Ministerium geschickt wurde. Im Austausch mit Lehrern erhält der Verein Selbstlaut gute Rückmeldungen. "Wir sind in sehr regem Austausch mit Pädagoginnen und Pädagogen. Wir haben viel positives Feedback erhalten."

"Lose Gruppe von Eltern"

Seinen Ursprung nahm die Kritik an den Unterrichtsmaterialien in einem Elternbrief, der auf der Facebook-Seite "Skandal im bmukk" nachzulesen ist. Eine lose Gruppe von Eltern rund um die Juristin und Theologin Gudrun Kugler kritisiert etwa die gleichwertige Verwendung von lesbisch, schwul, hetero und trans und die starke Repräsentation von homosexuellen Paaren, die nicht der gesellschaftlichen Realität entsprechen würden.

Doch stoßen sich wirklich so viele Eltern an der Broschüre? Ein Blick auf die Facebook-Seite der Initiative lässt andere Schlüsse zu. Ganzen 67 Accounts gefällt derzeit die Seite "Skandal im bmukk", vor zwei Wochen waren es gerade einmal 40.

Gudrun Kugler möchte nicht alleine ins Zentrum der Kritik geraten. "Die Initiative geht von 20 Elternpaaren aus", sagt sie zu derStandard.at. "Wir sind im Urlaub zufällig auf die Broschüre gestoßen. Eine Familie hat sie mitgehabt und hergezeigt." Bei einer Flasche Wein habe man beschlossen, nach dem Sommer einen Brief ans Ministerium zu schreiben.

"Kinder verwirrt"

Kugler, die 2005 als Parteilose für die Wiener ÖVP kandidiert hat, stößt sich vor allem am fehlenden Wertepluralismus, Homosexualität werde vor Heterosexualität gestellt. "Die Kinder sind dadurch verwirrt", sagt die Theologin. Homosexuellen Paaren solle kein Vorrang eingeräumt werden, sagt Kugler. Sie hält jedoch fest: "Verschweigen würde ich homosexuelle Paare nicht, die gibt es ja, man muss jedem Menschen tolerant gegenüber auftreten."

Warum sie sich mit ihrer Kritik nicht direkt an den Verein gewandt hat? "Der Verein kann machen, was er will", so Kugler. Sie sieht den Fehler beim Ministerium, das das Projekt finanziert habe. "Da findet Manipulation und Indoktrinierung statt." Auf dem Rücken der Kinder werde Gesellschaftspolitik gemacht.

Broschüre wird überarbeitet

Am Dienstagabend findet im Ministerium ein Gespräch zwischen der Elternvertreterin und Beamten des Unterrichtsministeriums statt. Die Ministerin wird nicht am Termin teilnehmen, ihr Sprecher lässt aber über derStandard.at ausrichten, dass die Broschüre überarbeitet wird. Betroffen ist davon aber nur jener Passus, in dem es um die Leihmutterschaft geht. 

Schmied halte an der Broschüre fest, weil sie für eine offene Gesellschaft plädiere. Der Verein habe sich bei der Erstellung der Unterrichtsmaterialien an den Prinzipien der WHO orientiert. Sexuelle Gewalt an Kindern müsse bekämpft werden, sagt ihr Sprecher. Mit der Broschüre werde ein wichtiger Teil dazu beigetragten. (Ina Freudenschuss, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 27.11.2012)