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Die Bürger der Stadt Wien haben in der Wiener Charta ein Bekenntnis zu Vielfalt, Dialog, Akzeptanz und Respekt abgelegt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wie stellen sich die Wienerinnen und Wiener das Zusammenleben in ihrer Stadt vor? Darüber soll die heute von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) und Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) präsentierte Wiener Charta Aufschluss geben. In ihr sind Grundsätze für das Zusammenleben in der der Stadt Wien festgehalten. Das Besondere daran: Sie wurde von den Wienern selbst in einem siebenmonatigen Prozess von März bis Oktober erarbeitet. Der finanzielle Aufwand dafür habe sich laut Frauenberger auf 450.000 Euro belaufen.

Neues "Wir-Gefühl"

"Wir wollten damit ein neues Wir-Gefühl definieren", sagt Frauenberger und betont, dass man die Regeln des Zusammenlebens nicht von oben verordnen könne, sondern nur miteinander vereinbaren. Unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht konnten die Bürger beim Entstehungsprozess der Charta ihre eigenen Ideen, Haltungen, Vorstellungen und Bedürfnisse in Bezug auf ein lebenswertes Miteinander einbringen. Unterstützt wurden sie dabei von Partnern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen der Stadt.

Dabei herausgekommen ist laut Vassilakou "eine klare Bekenntnis zu Vielfalt, Dialog, Akzeptanz und Respekt." Es wurden sieben Punkte herausgearbeitet, wie die Bevölkerung miteinander umgehen will.

Wunsch nach gemeinsamer Sprache

Als Beispiele nannte Vassilakou den Wunsch der Bürger nach Sauberkeit in der Stadt und nach öffentlichen Räumen, in denen kein Konsumzwang herrscht und Dialog stattfinden kann. Ein ebenso zentrales Bedürfnis sei es, in einer gemeinsamen Sprache kommunizieren zu können. Neuankömmlingen sollte aber mit Respekt, Geduld und Unterstützung begegnet werden, wenn diese noch nicht so weit sind.

Jedoch handle es sich laut Frauenberger bei der Wiener Charta nicht um ein Integrations-, sondern ein Bürgerbeteiligungsprojekt, bei dem an die Eigenverantwortung der Wiener plädiert wurde. In der ersten Phase des Projekts wurden von Mitte März bis April die für sie relevanten Themen von den Bürgern selbst eingebracht. Anschließend wurden diese gemeinsam mit Organisationen und Unternehmen in Charta-Gesprächen diskutiert.

13.000-Stunden-Diskussion

"8500 Menschen haben in 651 Gruppen knapp 13.000 Stunden miteinander von Angesicht zu Angesicht diskutiert", sagt Frauenberger.

Als Grundlage für die Diskussion diente ein Basis-Dokument, das sowohl auf der österreichischen Bundesverfassung als auch den internationalen Menschenrechten beruht. Per Telefon und Internet konnten die Wiener ihre Meinungen von Mitte bis Ende September einbringen.

Basis für das Zusammenleben

Aufgabe der Stadt Wien in diesem Prozess war es, eine Plattform zur Verfügung zu stellen und sowohl vor Ort als auch online die Diskussionen zu moderieren und die Ergebnisse zugänglich zu machen.

"Wir wollten der Stadt die Möglichkeit geben, in einem geführten Prozess miteinander zu diskutieren. Dadurch wollten wir eine Basis schaffen, was wichtig ist, damit das Zusammenleben im Alltag funktioniert", erklärt Vassilakou. Bei dem Projekt würde es sich um den europaweit größten dialogischen Beteiligungsprozess handeln, es soll bereits Anfragen aus anderen europäischen Städten dazu geben.

Wünsche und Anregung an die Politik sind nicht Bestandteil der Wiener Charta. Laut Vassilakou liege es jetzt jedoch an der Politik, Rahmenbedingungen für die Anliegen der Bürger zu schaffen.

Opposition nicht angetan

Die Rathaus-Opposition erkannte keine positiven Aspekte in der Charta. FPÖ-Klubchef Gudenus sprach in einer Aussendung von einem "Treppenwitz", die 450.000 Euro seien für eine "rot-grüne Placebo-Aktion vergeudet" worden.

Für Wiens ÖVP-Obmann Manfred Jurazcka sei das Papier "voller Floskeln, No-Na-Sätzen und Plattitüden: Wie so oft in Wien kreißte der Berg und ein Mäuslein ward geboren", so Juraczka. (elm, derStandard.at, 27.11.2012)