Um 06:45 Uhr ertönt der Weckruf im Fahrerlager der GS Trophy 2012 in Südamerika und damit der Startschuss zur ersten Etappe. Obwohl – Weckruf. Aus einem X6 dröhnt Discomusik. Wer da nicht munter wird, hat ohnedies ein gröberes Problem.

Von Trailanqui in Chile geht es kurz nach 08:00 Uhr los. Ziel ist Aluminé in Argentinien. Ein Tag mit Grenzübertritt hat seinen eigenen Nervenkitzel. Vor allem, weil wir über einen kleinen Grenzübergang kommen, an dem die über 100 Motorräder heute den Jahresschnitt an Arbeit verdoppeln. Und man weiß bis zum Schluss nicht, ob der neue Computer den Beamten nun Hilfe oder Hindernis ist. 19 Nationen sind in 15 Teams unterwegs, um sich bei der GS Trophy auszumachen, wer denn zu den weltbesten GS-Fahrern zählt. Österreich ist mit Willy Schmidtmayr im Team Alps vertreten. Er kämpft mit den beiden Schweizern Armin Schnyder und Martin Anrig um den Sieg.

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Auf knappen 300 Kilometern werden die Teilnehmer der GS Trophy am ersten Tag Staub fressen, dass sie selbst beim Trinken mit den Zähnen knirschen. In Chile beginnt gerade der Sommer, und es hat seit Wochen nicht mehr geregnet. Entsprechend blickdicht sind die Schotterpisten durch das Land. Schwarze Ränder im Gesicht zeichnen die Männer bereits nach der ersten Stunde. Nur die Marshalls, die Tourguides, haben es vorneweg staubfrei und werden auch am Abend aussehen, als wären sie gerade in den Motorradanzug geschlüpft.

Vor dem Grenzübertritt und nach mehr als 100 Kilometern auf Schotterpisten, geht es zur ersten Sonderprüfung. Willy Schmidtmayr ist die große Hoffnung des Team Alps. Wie sein Bruder Bernhard, der Österreich bei der GS Trophy 2010 in Südafrika vertreten hat, ist Willy quasi auf der Trial groß geworden.

Vor dem Start der Prüfung ist er aber noch zuversichtlicher als nachher im Ziel. "Ich habe den Kurs einfach unterschätzt", sagt er, "was von außen bewältigbar aussieht, kann man in Wirklichkeit gar nicht ohne Fehlerpunkt fahren. Mir war klar, dass ich manchmal mit dem Fuß nachhelfen muss, aber dass es so schwierig wird, dachte ich nicht." Der geringere Lenkeinschlag als auf der Trial, der längere Radstand und natürlich das Gewicht der BMW GS 800 forderten ihre Opfer. Willy musste öfter einen Fuß auf den Boden stellen, als er wollte.

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Subjektiv betrachtet, hat er sich unter Wert geschlagen. Objektiv gesehen, gehörte er zu den Besten und legte ein atemberaubendes Tempo hin. Kurzum, nach den ersten beiden Sonderprüfungen – die zweite bestand aus einem U-Turn, den alle drei Teilnehmer jedes Teams auf Zeit fahren mussten, liegt das Team Alps auf Platz vier. Zu verdanken ist das vor allem Willy Schmidtmayr, der auch beim U-Turn eine Klasse für sich war und den Staub aufstiegen ließ, dass sogar die angrenzend wohnenden Kühe husteten.

Auf Platz 3 liegt nach dem ersten Tag das Team aus Argentinien, Platz zwei sicherte sich Frankreich, und die Führung hält das Team aus Lateinamerika. Apropos Platz: Eine geplatzte Oberlippe gibt es an Tag eins – neben ein paar Reifenplatzern – zu verzeichnen. Die Brücken hier sind meist nur kleine Überführungen, die es möglich machen, einen Bach trockenen Reifens zu überqueren. Diese Brücken bestehen lediglich aus zwei Holz-Planken, damit Autos ans andere Ende finden. Mit dem Motorrad muss man sich eine der beiden Fahrspuren aussuchen.

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Ein Kollege, der Journalist, der das spanische Team begleitet, konnte sich nicht entscheiden – wegen des Staubs vor ihm hatte er zwischen dem Erkennen der Brücke und der Wahl der Planke auch nicht viel Zeit – und wählte die unglückliche Mitte. Die schlechte Entscheidung quittierte er mit einem Köpfler, der ihm einen Riss der Oberlippe einbrachte. Die beiden Ärzte, welche die Trophy begleiten, haben aber schnell geholfen, und bei ihm ist wieder alles in Ordnung.

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Nur der Ordnung halber, wenn wir schon bei den Journalisten sind: Mir ging an Tag eins bereits zwei Mal der Schotter aus. Jeweils in einer Kurve. Die kommen aber auch unvermittelt, in dieser Wand aus Staub, durch die man fährt. Aber meine Lippen sind in Ordnung – ich riskiere regelmäßig eine dicke, aber das ist eine andere Geschichte -, und auch die GS hat die Ausritte gut überstanden. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 28.11.2012)

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