Bild zum Thema "Liebe" aus der Broschüre.

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Wien - Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) reagiert auf Kritik an der in Schulen verwendeten Unterrichtsmaterialien zur Sexualerziehung. Die Broschüre "Ganz schön intim" (siehe Download links) ist als Arbeitsunterlage für Pädagoginnen und Pädagogen konzipiert. ÖVP und FPÖ hatten das Druckwerk in einer parlamentarischen Anfrage missbilligt, weil darin ihrer Meinung nach die "Kernfamilie" diskreditiert werde, verschiedenste sexuelle Ausrichtungen dafür als vollkommen gleichwertig dargestellt würden. Schmied will die Broschüre nun nochmals prüfen lassen, wie sie am Dienstag am Rande des Ministerrats sagte.

Sie wolle zwar nicht ihre "privaten Bilder" präsentieren, so die Ministerin, prinzipiell plädiere sie aber für eine "offene Gesellschaft". Ein spezielles Bild dabei besonders hervorzuheben, erscheine ihr nicht sinnvoll.

"Verstörte Fragestellungen"

In einer parlamentarischen Anfrage an Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ortet ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon eine "Diskreditierung der sogenannten 'Kernfamilie'", in einer weiteren Anfrage nimmt sein FPÖ-Pendant Walter Rosenkranz daran Anstoß, dass "natürlich gewachsene Familien zwischen Mann und Frau in dem Druckwerk diskreditiert werden, dafür 'lesbisch', 'schwul', 'hetero' und 'trans' als vollkommen gleichwertig dargestellt (...)" werden.

Laut Amon "muss nach mehreren Anfragen von besorgten Eltern, die mit der Broschüre in Berührung kamen und bei deren Kindern sie zu verstörten Fragestellungen führte, die öffentlich geförderte Publikation hinterfragt werden". So ziehe sich die Thematik der Intersexualität "in unverhältnismäßiger Relation durch die ganze Broschüre". Leihmutterschaft und Samendatenbanken würden trotz des gesetzlichen Verbots in Österreich als mögliche Optionen dargestellt, so Amon und Rosenkranz in beiden Anfragen.

"Ideologische Stimmungsmache"

Amon will unter anderem wissen, ob Schmied es "nicht als erstrebenswert ansieht, die sogenannte 'Kernfamilie' Vater-Mutter-Kind als Ideal hochzuhalten - natürlich unter Bedacht darauf, dass es auch andere Familienkonstellationen wie z.B. Patchwork-Familien gibt". Und: "Auch wenn es nicht jeder Ehe gutgeht und es nicht jede Familie schafft, die höheren Ideale zu leben, sollen wir diese Ideale deshalb aufgeben?" Außerdem fragt er die Ministerin: "Wie sehen Sie die Vermischung von Liebe und Sexualität, die sich durch die Broschüre zieht?"

Der FPÖ-Bildungssprecher Rosenkranz wirft dem Ministerium als Auftraggeber des "Machwerks" "ideologische Stimmungsmache" vor und spricht von einer "Skandalbroschüre".

Ausnahme, nicht Regel

Auch BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner eine parlamentarische Anfrage an Unterrichtsministerin Schmied eingebracht, in der sie ebenfalls Auskunft über inhaltliche Vorgaben und Kosten begehrt. "Die in der Broschüre ausschließlich gezeichneten Familienbilder sind die Ausnahme und nicht die Regel. Daher ist es nicht angebracht, solche Unterrichtsmaterialien für Kinder in diesem Alter zu verteilen", so Haubner in einer Aussendung.

Wichtiger Schritt

Begrüßt wird die Broschüre hingegen von den Grünen. "Die Aufregung von ÖVP und FPÖ über die Sexualerziehungsbroschüre 'Ganz schön intim' war regelrecht vorprogrammiert: Sexualerziehung war Konservativen und Rechten seit jeher suspekt", kritisierte Bildungssprecher Harald Walser. Die Aufklärung von Kindern sei ein wichtiger Schritt gegen Kindesmissbrauch: "Erst wenn Kinder gewohnt sind, Erwachsene auch mit peinlichen Fragen oder schwierigen Gefühlen zu konfrontieren, reden sie über selbst Erlebtes leichter."

Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Wolfgang Moitzi, fragte sich angesichts der Kritik von ÖVP und FPÖ an der Broschüre: "In welchem Zeitalter leben denn ÖVP und FPÖ, wenn sie sich heute mit Händen und Füßen dagegen wehren, unterschiedliche sexuelle Orientierungen als gleichwertig anzusehen?" Aus den Beanstandungen spreche der "Geist des Mittelalters".

Verein verteidigt Broschüre

Erstellt wurden die Unterrichtsmaterialien mit zahlreichen Gefühlsspielen, Texten und Übungsanleitungen vom Verein "Selbstlaut". Sie richtet sich an Lehrer und  Kinder in der Volksschule sowie an Elf- und Zwölfjährige. Die meisten Übungen orientieren sich an Kindern, die schon lesen und schreiben können, also ab der dritten und vierten Klasse Volksschule. Es werden unter anderem die männlichen und weiblichen Geschlechtsteile erklärt und Übungen mit den Kindern zum Thema "Liebe" vorgeschlagen.

Auslöser der Aufregung der Abgeordneten ist ein Artikel in der "Presse". Darin erklärt ein Vertreter von "Selbstlaut", dass es Absicht sei, dass Minderheiten mit  Mehrheitspositionen in einem Atemzug genannt werden. Dass Intersexualität angesprochen wird, sei wichtig, weil den Betroffenen Platz gegeben werden müsse. Die Erfahrung habe zudem gezeigt, dass bereits kleine Kinder mit sexueller Gewalt und Pornografie in Berührung kommen, deshalb sei es wichtig, das Thema anzusprechen. Der Verein will aber überdenken, ob das Verbot von Leihmutterschaften in eine überarbeitete Version hineingeschrieben werden soll. (APA, red, derStandard.at, 27.11.2012)