Das Missverhältnis zwischen der heimischen und der internationalen Aufnahme des neuen interreligiösen Dialogzentrums in Wien könnte größer nicht sein: blanke Ablehnung einerseits, Aufmarsch des Uno-Generalsekretärs und anderer Staatsgäste zur Eröffnung andererseits. Die Sichtweisen auf das "Abdullah-Zentrum" - der lange Originalname, der in der monströsen Abkürzung KAICIID zusammengefasst ist, wird sich nicht durchsetzen, so viel ist sicher - sind einstweilen unversöhnlich.

Wenn dem Wort Religionsfreiheit die religiöse Praxis in Saudi-Arabien gegenübergestellt wird, kommt man zum Ergebnis der Kritiker. Wenn man die längerfristige Entwicklung Saudi-Arabiens auf dem Radar hat, mit einer Gesellschaft, die viel komplexer ist als von außen wahrnehmbar, kann man das Zentrum als interessanten Aufbruch sehen und ist auf die - vom Namensgeber König Abdullah beabsichtigte - Innenwirkung in Saudi-Arabien gespannt.

Viel Schlimmes kann nicht passieren: Das Projekt ist nicht nur einer äußeren, sondern durch den gemischten Vorstand einer ständigen inneren Kontrolle unterzogen. Den Generalsekretär des Zentrums, Faisal Bin Abdulrahman Bin Muaammar, als bösen wahhabitischen Agenten auszumachen, dazu gehört ein gerüttelt Maß an Hysterie. Wenn nun noch die Österreicher von ihrer Praxis der Versorgungsposten-Verleihung Abstand nehmen, dann steht einem spannenden Experiment nichts im Wege. (DER STANDARD, 27.11.2012)