Ein wichtiger Hinweis im Kontrollraum des VLT.

Foto: Peter Illetschko

Wer die Europäische Südsternwarte ESO in Chile besucht, bekommt natürlich von eifrigen Pressemitarbeitern eine umfangreiche Erfolgsgeschichte serviert: Was konnten Wissenschafter am Very Large Telescope VLT und am älteren La Silla Observatorium mit dem Spektrographen HARPS (High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher) bisher entdecken? Die Liste reicht vom ältesten bekannten Stern in unserer Milchstraße, der vor 13,2 Milliarden Jahren entstanden sein soll, über die Entdeckung, dass sich die Ausdehnung des Universums beschleunigt, bis zum ersten Bild eines extrasolaren Planeten.

Noch interessanter erscheint die Frage: Was wird man hier, mit dem geplanten European Extremely Large Telescope E-ELT am Cerro Armazones (Geplanter Start: 2022) und vor allem mit dem Submillimeter-Interferometer ALMA noch entdecken können? Wird man einer Antwort auf die vielleicht schwierigste Frage der Kosmologie näher kommen: Was genau ist die Dunkle Materie, was die Dunkle Energie? Wissenschafter kennen ja bisher nur vier Prozent des Universums. Recht wenig, wenn man bedenkt, wie wichtig sich die Menschen und ihr Planetensystem nehmen. Prognosen zu dieser Frage will man hier natürlich keine abgeben.

Man schwärmt stattdessen von den Möglichkeiten, die man jetzt schon mit ALMA hat, obwohl noch nicht alle 66 Antennen am Plateau Chajnantor in der Atacama-Wüste stehen. Mit ALMA habe man das Ziel, die kosmischen Ursprünge der Menschen zu ergründen. Die Entstehung unserer eigenen Galaxie nachvollziehen sollte möglich sein. Man hofft auch auf einen genaueren Blick in jenes Schwarze Loch inmitten unserer Galaxie. Über eine Vernetzung mit anderen Radioteleskopen weltweit wäre ein direkter Blick hinein denkbar - und auch noch viel mehr. Ein deutscher Astronom im ALMA Basiscamp wagt den Vergleich: "Hätten unsere Augen diese Möglichkeiten, dann würden wir die Moleküle in unseren Finger erkennen können." Eine eigenartige Vorstellung.

Am Cerro Armazones, etwa 20 Kilometer vom Cerro Paranal und dem Very Large Telescope (VLT) entfernt, steht noch nichts, was auf das Superteleskop E-ELT hindeuten würde. Eine Straße ist zu erkennen, die hinauf führt - mehr nicht. Auch das Plateau wird erst errichtet, wenn das Parlament in Brasilien den Beitritt des Landes zur ESO ratifiziert. Denn dieser finanzielle Beitrag zum Riesenprojekt ist nötig. Die Dimension des E-ELT (Bild oben, Kostenpunkt etwa eine Milliarde Euro) werden derzeit nur in Superlativen angegeben: Eine Kuppel von 220 Metern Durchmesser. Ein Hauptspiegel von 39 Metern Durchmesser. Bilder, die 15 mal schärfer sind als die des Weltraumteleskops Hubble, das seit 1990 aktiv ist.

AM E-ELT wird man sich eine alte Frage stellen: Sind wir alleine? Gibt es ein Leben abseits der Erde? Damit sind freilich keine grünen Männchen gemeint. Schon Bakterien wären eine Sensation. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, heißt es in der ESO. Und das E-ELT wird die Atmosphäre von erdähnlichen Planeten untersuchen können. Was spricht gegen die Theorie, auch intelligentes Leben zu finden? "Die hätten schon Kontakt aufgenommen", sagt ein Wissenschafter. Und ein Journalist ergänzt: "Möglicherweise hätten sie, vielleicht aber sind wir nicht intelligent genug, um diese Nachricht zu entschlüsseln."

Die Reise der österreichischen Journalistengruppe geht zu Ende. Alle Wissenschafter, die daran beteiligt waren, sagen: "Es sind mehr Fragen noch offen, als bisher beantwortet wurden. Und alle Antworten werden neue Fragen aufwerfen." Sie hoffen, dass das so bleiben wird. "Wir sind nicht da, um irgendwann einmal alles zu wissen. Das wäre langweilig."

Der deutsche Astrophotograph Stefan Seip führte während der Reise ebenfalls ein Tagebuch: blog.photomeeting. (Peter Illetschko, derStandard.at, 25. 11. 2012)