Das Horror-Heim Wilhelminenberg ist Geschichte. Die Fremdunterbringung bleibt aber Thema.

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Salzburg - Die Kinder- und Jugendanwaltschaften (Kija) schlagen Alarm: In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die zwar bei ihren Eltern wohnen, für die aber die Jugendwohlfahrt begleitende Erziehungsmaßnahmen organisieren muss, auf derzeit etwa 28.000 verdoppelt.

Gleiche Ressourcen, mehr Bedarf

Dazu kämen 11.300 Kinder und Jugendliche, die bei Pflegeeltern, in Heimen oder betreuten WGs "fremduntergebracht" sind. "Die Ressourcen sind aber gleich geblieben, das kann sich nicht ausgehen", sagte die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt am Rande einer Kija-Fachtagung.

"Es gibt mehr Trennungen, wachsende Armut, eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse", erläutert Holz-Dahrenstaedt die Zunahme des Betreuungsbedarfes. Dass es um die Fremdunterbringung in Österreich nicht besonders gut bestellt sei, habe sogar der Uno-Kinderrechtsausschuss festgestellt.

Es fehle beispielsweise an Qualitätsstandards - wie etwa dem Vier-Augen-Prinzip bei Entscheidungen der Jugendwohlfahrt, ob das Kind der Familie abgenommen werden müsse.

Bundesjugend- und Kinderhilfegesetz gefordert

Um solche Standards festzuschreiben, verlangen die Kinderanwälte ein Bundesjugend- und Kinderhilfegesetz. Dieses würde aber seit 2008 am Veto einzelner Bundesländer scheitern, kritisiert Holz-Dahrenstaedt.

Auch externe Vertrauenspersonen, die fremduntergebrachten Kindern mit Rat und Tat - etwa bei Loyalitätskonflikten zur Herkunftsfamilie - beistehen, scheiterten vorerst am Geld. In Summe würden für die Jugendwohlfahrt österreichweit rund 500 zusätzliche Planposten benötigt.

Kritik an Besuchszeiten

Kritik gibt es auch bezüglich der Besuchszeiten. Regelungen, wo Kinder ihre leiblichen Eltern nur einmal im Monat sehen dürfen, wären sicher zu wenig, sagt die Vorsitzende der Familienrichter Doris Täubl-Weinreich. Sie sieht auch positive Veränderungen: Mit dem neuen Kindschaftsrechtsgesetz (derzeit in Begutachtung) werde die Abnahme eines Kindes in einer mündlichen Verhandlung entschieden, die binnen vier Wochen stattfinden muss. Lange, belastende Verfahren würden vermieden. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 24./25.11.2012)