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Karies zu ignorieren, lohnt sich für den Patienten langfristig nicht.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Sie hatten es nur gut gemeint: Weil der kleine Valentin in der Nacht oft durstig aufwachte, aber partout kein Wasser trinken wollte, gaben ihm seine Eltern naturtrüben Apfelsaft im Fläschchen zu trinken, um den Säugling wieder zum Schlafen zu bringen. Eine vermeintlich gesunde Maßnahme - mit verheerenden Folgen: Als Valentin ein knappes Jahr alt war, zeigten sich erste bräunliche Verfärbungen an seinen Milchzähnen. Mit zwei Jahren war der Kariesbefall bereits so fortgeschritten, dass dem Buben unter Vollnarkose drei Schneidezähne überkront und ein Zahn gezogen werden musste.

"Karies können Sie von dem Augenblick an bekommen, wo der erste Zahn im Mund erscheint", bestätigt Claudius Ratschew, Zahnarzt und Pressesprecher der Zahnärztekammer Wien. Verantwortlich für die unschönen Löcher sind Bakterien. Allen voran der Streptococcus mutans, ein Keim der oft schon im Säuglingsalter akquiriert wird, wenn Mama denselben Löffel benutzt oder den Schnuller abschleckt.

Säureangriff

Einmal in der Mundhöhle, wird man den Streptococcus mutans nicht mehr los. Der Keim fühlt sich in Anwesenheit von viel Zucker besonders wohl. Er verstoffwechselt die Kohlenhydrate zu Säuren, deren ätzende Wirkung für Zahnschmelz und -hartsubstanz Gift ist.

In den westlichen Breiten leiden beinahe 100 Prozent der Bevölkerung unter der ansteckenden Infektionskrankheit. Grund zur Resignation ist diese Tatsache aber nicht, denn mit einfachen Maßnahmen lässt sich dem Karies durchaus Einhalt gebieten.

Zähneputzen nach jedem Essen entzieht den hungrigen Bakterien ihre Nahrung. Eine einfache Lösung, doch wenig praktikabel, denn wer trägt schon den ganzen Tag seine Zahnbürste mit sich herum. "Das wichtigste Zähneputzen ist daher das am Abend", sagt Ratschew. "Dann muss besonders gründlich und sorgfältig geputzt werden, weil Speisereste sonst an den Zähnen kleben bleiben und die Säuren die ganze Nacht über das ganze Gebiss angreifen."

Regelmäßiger Wechsel

Die österreichische Zahnärztekammer empfiehlt Putzen mit weichen bis mittelharten Borsten und einem kleinen, vorne abgerundeten Bürstenkopf. "Man braucht nicht viel Geld für eine Bürste auszugeben", erläutert Zahnarzt Ratschew. "Wichtig ist nur, dass die Bürste nicht länger als drei Monate verwendet wird, weil sonst Abnützungen entstehen, die eine Putzleistung vermindern." Kleine, vibrierende und rollende Bewegungen, die mit sanftem Druck ausgeübt werden, befreien schrittweise Zahn für Zahn von Plaque.

Auch elektrische Zahnbürsten bieten laut Ratschew durchaus Vorteile: "Sie haben einen kleineren Bürstenkopf, mit dem man überall im Mund gut hinkommt. Außerdem gleicht eine elektrische Zahnbürste Fehler in der Putztechnik aus und macht von sich aus schonende und gleichmäßige Bewegungen."

Zahnseide für Zahnzwischenräume

Die Zähne lassen sich zumindest an der Vorder- wie Rückseite mit der Bürste problemlos reinigen. Aber wie sieht es mit den Zahnzwischenräumen aus? Laut österreichischem Zahngesundheitsstatus 2010 verwenden nur 0,4 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Zahnseide. Ein grober Fehler so Ratschew, der die Verwendung von Zahnseide als Grundlage der Kariesprophylaxe bezeichnet. "Die meisten kariösen Defekte nehmen ihren Anfang im Zahnzwischenraum. Die können nur mit Zahnseide entsprechend gepflegt werden, weil damit die Kontaktpunkte zwischen den Zähnen sauber werden."

Zuckerarme Ernährung gehört ebenfalls zu Empfehlungen, die Zahnärzte geben. Diverse Studien haben aber gezeigt, dass der Zuckergehalt des Essens nicht ausschlaggebend für die Kariesbildung ist, sondern vielmehr die Aufenthaltsdauer der Speisen im Mund. Mitverantwortlich zeigt sich dafür der Speichel. Er verdünnt nicht nur die Säuren, die bei der Zersetzung von Kohlenhydrate entstehen, sondern befördert Speisereste auch schnell aus dem Mund.

Viel trinken ist also wichtig: Zum einen werden Essensreste rasch weggespült und zum anderen wird die Speichelproduktion angekurbelt. "Je weniger Speichel gebildet wird, desto mehr Mineralsalze finden sich darin und umso schneller bildet sich Zahnstein, den der Patient nicht selbst entfernen kann", erklärt Ratschew.

Wurzel behandlen

Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt nicht nur zweimal jährlich den Status der Zähne vom Zahnarzt kontrollieren, sondern gönnt sich zusätzlich einmal im Jahr eine professionelle Mundhygiene. "Nicht jeder Belag kann selbst weggeputzt werden", betont der Experte. Eine Fissurenversiegelung soll die Kauflächen vor Karies schützen. Das Einbringen von flüssigem Kunststoff in die Furchen der Stockzähne birgt laut Ratschew aber auch ein Risiko: "Gerade unter solchen Versiegelungen, die ja nicht ewig dicht bleiben, können unbemerkt Durchlässigkeiten und damit erneut Karies entstehen."

Wird Karies nicht behandelt, kann sich eine schmerzhafte Nervenentzündung entwickeln, die eine Wurzelbehandlung erforderlich macht. Eine unangenehme Prozedur und laut Ratschew vollkommen unnötig: "Theoretisch muss niemand auch nur ein Loch in den Zähnen bekommen, wenn er seine Zähne perfekt pflegt und regelmäßig vom Zahnarzt untersuchen lässt."

Mutter-Kind-Pass

Der Zahnexperte plädiert dafür, eine zahnärztliche Untersuchung bereits in den Mutter-Kind-Pass aufzunehmen, um mit der richtigen Zahnpflege beim ersten Milchzahn zu beginnen. Das würden auch die Eltern des kleinen Valentin unterschreiben. Sie gehen mittlerweile nicht nur alle drei Monate mit ihrem Sprössling zum Zahnarzt, sondern putzen auch jeden Abend gemeinsam gewissenhaft ihre Zähne. Und das mit der Zahnseide, das sollte demnächst auch klappen. (Barbara Oberrauter, derStandard.at, 27.11.2012)