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Hunderte Zuhörer bei einer Versammlung der M23-Rebellen am Mittwoch in Goma.

Foto: Marc Hofer/AP/dapd

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Bewohner von Sake fliehen vor den Kämpfen.

Foto: EPA/DAI KUROKAWA

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Grafik: APA

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Vianney Kazarama, Sprecher der Rebellengruppe M23 am Mittwoch in Goma.

Foto: REUTERS/James Akena

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Ein von der fliehenden Armee des Kongo zurückgelassener Panzer in der Nähe von Goma.

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Treffen am Mittwoch Kampala: Ugandas Präsident Yoweri Museveni (Mitte) mit dem Präsidenten Ruandas Paul Kagame (links) und Joseph Kabila dem Präsidenten des Kongo.

Foto: Presidential Press Services/AP/dapd

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Rebellen der Bewegung M23 in Goma.

Foto: REUTERS/James Akena

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Die UN-Mission im Kongo ist die größte weltweit.

Foto: EPA/ALAIN WANDIMOYI

Théodore Trefon, Wissenschafter am Royal Museum for Central Africa in Brüssel, im September 2012. Im Hintergrund die Teefelder von Bukavu nahe der Grenze zu Ruanda.

Foto: Trefon

Das Land ist fast so groß wie Westeuropa, hat 71 Millionen Einwohner und ist reich an Bodenschätzen wie Gold oder Coltan. In die Schlagzeilen westlicher Medien schafft es der Kongo meist nur mit Kriegsgeschichten, Gründungen neuer Rebellengruppen, Staatsstreichen. Einzelne Schlaglichter auf eine Entwicklung, die ansonsten eher im Dunkeln bleibt. Der Titel dieses Artikels ist mittlerweile ein geflügeltes Wort zur Beschreibung der Situation des Landes.

Anfang dieser Woche tauchte eine neue Rebellengruppe auf: Sie nennt sich M23 und hat eine Stadt im Osten des Landes eingenommen. Wer sind diese Rebellen? Woher kommen sie? Kann es zu einem neuen Krieg kommen? Und wie sieht die Bevölkerung die Situation? Diese Fragen versuchte derStandard.at im Gespräch mit Théodore Trefon zu klären. Trefon ist Wissenschafter am Royal Museum for Central Africa in Brüssel und Autor des Buches Congo Masquerade.

Wer ist die M23?

Die M23 ist eine Rebellengruppe, die überwiegend aus ehemaligen Tutsi-Offizieren besteht. Die Abkürzung M23 steht für Mouvement du 23-mars. An diesem Tag im Jahr 2009 wurde die Eingliederung der ehemaligen Tutsi-Offiziere aus dem Osten des Landes in die reguläre kongolesische Armee vereinbart. Präsident Joseph Kabila versuchte sich durch die Aufnahme von Kriegsverbrechern und Warlords Frieden in der Region zu erkaufen. Der bekannteste ist Bosco Ntaganda, er wird vom Internationalen Gerichtshof (ICC) in Den Haag wegen Kriegsverbrechen gesucht.

Warum haben sie sich von der Armee losgesagt?

Sie selbst behaupten, sie hätten versprochene Machtpositionen in der Armee nicht bekommen und würden schlecht behandelt. Es steckt aber mehr dahinter: Präsident Kabila wollte den Gipfel der französischsprachigen Länder unbedingt in Kinshasa ausrichten. Um westliche Staaten wohlwollend zu stimmen, wollte Kabila die demokratische Entwicklung seines Landes betonen. Er erließ im April dieses Jahres einen Haftbefehl gegen den auch vom ICC gesuchten Bosco Ntaganda. Das war der Auslöser für die Loslösung der ehemaligen Tutsi-Offiziere von der kongolesischen Armee.

Was ist jetzt diese Woche passiert?

Anfang dieser Woche haben Rebellen der rund 1.250 Mann starken M23 Goma eingenommen. Goma ist eine Stadt im äußersten Osten des Kongo nahe an der Grenze zu Ruanda. Widerstand der regulären Armee des Kongo war kaum vorhanden. Am Mittwoch haben die Rebellen ihre Offensive auf die Stadt Sake, 30 Kilometer östlich von Goma, ausgeweitet. Die Rebellen haben mit einem Vormarsch bis nach Kinshasa gedroht. Präsident Joseph Kabila hat mittlerweile Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Was wollen die M23-Rebellen?

Das ist bis jetzt nicht ganz klar. Möglicherweise einfach mehr Kontrolle in der Region, was auch mehr Kontrolle über die reichhaltigen Bodenschätze bedeutet.

Warum mischt sich Ruanda ein?

Die beiden Nachbarländer Ruanda und Uganda unterstützen laut einem UN-Bericht die Rebellengruppe M23 mit Waffen und Ausrüstung. Sowohl die M23 als auch Ruanda dementieren den UN-Bericht. Ruanda gibt vor, es gehe um den Kampf gegen Hutu-Völkermörder, die weiterhin im Kongo aktiv wären. In Wahrheit geht es Ruanda um die Kontrolle der rohstoffreichen Region im Nachbarland. Die M23 ist eine alte Rebellengruppe im neuen Kleid: Ähnliche von Ruanda gestützte Gruppen sind schon seit Jahrzehnten im Osten des Kongo aktiv.

Was derzeit in Goma passiert, hat seine Wurzeln im Völkermord in Ruanda im Jahr 1994, als die Hutu-Mehrheit rund eine Million Angehörige der Tutsi-Minderheit ermordete. Der Konflikt wurde über Hutu-Flüchtlinge aus Ruanda in das Nachbarland Kongo getragen.

Warum wehrt sich der Kongo nicht gegen die Einmischung der Nachbarländer?

Selbst die Eliten im Kongo sind nicht an einer schlagkräftigen, geeinten, nationalen Armee interessiert. Ein starkes Militär könnte auch ihnen gefährlich werden, indem es eventuell einen Staatsstreich organisiert. Deswegen verlässt sich auch Präsident Kabila fast ausschließlich auf seine Republikanische Garde.

Wie sieht die Bevölkerung die Entwicklung im Land?

Viele Kongolesen sind frustriert von Präsident Kabila. Er ist seit mehr als zehn Jahren an der Macht, hat aber kaum etwas weitergebracht. Er war nicht in der Lage, Frieden, Entwicklung und ausländische Investoren ins Land zu bringen. Früher haben die Kongolesen an der schlechten Situation meist dem Nachbarn Ruanda die Schuld gegeben. Das scheint sich jetzt zu ändern. Der Zorn auf die eigene Regierung wächst. In Kinshasa gab es schon Studenten-Demonstrationen. Die Ereignisse rund um die M23 werden erstmals auch außerhalb der betroffenen Region wahrgenommen. Derzeit sind laut Medienberichten bis zu 100.000 Menschen auf der Flucht vor der neuen Gewaltwelle.

Wie könnte sich die Situation weiter entwickeln?

Es gibt verschiedene Szenarien: Es könnte zu einem Staatstreich gegen Kabila kommen. Wer ihm folgen könnte ist völlig ungewiss. Auch eine Veränderung des Mandats der UN-Mission im Kongo wäre denkbar. Derzeit haben die Blauhelme kein Mandat zur Unterstützung der kongolesischen Armee. Eine Änderung ist allerdings wenig wahrscheinlich. Der UN-Sicherheitsrat wird kaum mehr Geld zuschießen. Schon jetzt fließen 1,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr in die mit 20.000 Soldaten größte UN-Mission.

Auch ein vollwertiger Krieg ist möglich, sollte Angola in dem Konflikt aktiv werden. Angola hat die größte Armee in der Region und Kabilas Macht beruht zu einem Großteil auch auf der passiven Unterstützung des südlichen Nachbarlandes. Denkbar wäre aber auch eine Beruhigung der Situation, erkauft durch Zugeständnisse an die Rebellen.

Was kann die Internationale Gemeinschaft tun?

Die Internationale Gemeinschaft hat extrem wenig Einfluss auf Kabila. Auf der Prioritätenliste steht der Kongo ziemlich weit unten. Der Kongo hat zwar die Rohstoffe, die die Welt braucht, aber solange die Lieferkette nicht unterbrochen wird, sieht die Internationale Gemeinschaft keinen Handlungsbedarf. Diese Kette wurde auch durch die bisherigen Kongo-Kriege nicht maßgeblich beeinträchtigt. Auch der Haftbefehl des ICC gegen Bosco Ntaganda ist im Kongo ein Randthema. (mka, derStandard.at, 22.11.2012)