Bild nicht mehr verfügbar.

KPÖ-Wohnungsstadt- rätin Elke Kahr liegt im Umfragehoch. 20 Prozent traut man ihr zu. Die Kommunisten halten das aber für ein Wahlkampfmanöver der ÖVP.

Foto: APA/Leodolter

Graz - "Wenn sie jetzt wirklich so viel gewinnen sollte, soll sie sich endlich drübertrauen. Ich würde sie zur Bürgermeisterin wählen." Man hört Lisa Rücker, der grünen Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin für die Gemeinderatswahl am Sonntag, die Ungeduld an, wenn sie über KPÖ-Wohnungsstadträtin Elke Kahr spricht. Kahr liegt in letzten Umfragen bei rund 20 Prozent. Im Rathaus herrscht helle Aufregung.

Immerhin hatte die KPÖ schon 2003 mit Ernest Kaltenegger über 20 Prozent. Der populäre Wohnungsstadtrat wollte sich aber damals von SPÖ und Grünen nicht zum Stadtchef wählen lassen. Er fühlte sich noch nicht bereit für soviel Verantwortung.

Grüne vermissen Handschlagqualität

Jetzt müsse Kahr "mehr Verantwortung übernehmen, als immer nur ein Ressort", findet Rücker. Eine weitere Koalition mit Nagl schließt Rücker im Gespräch mit dem Standard dezidiert aus. "Obwohl ich einige in der ÖVP kenne, die wirklich schwarz-grün denken", räumt sie ein, "aber Nagls Handschlagqualität ist weg".

Eine Dreierkoalition KPÖ/Grüne/SPÖ kann sich auch die SPÖ-Spitzenkandidatin Martina Schröck - wenn es sich rechnerisch ausgeht - vorstellen. Sie wolle sich aber nicht festlegen, ob sie dann Elke Kahr zur Bürgermeisterin wählen würde. Sie habe auch die Befürchtung, dass die KPÖ wieder einen Rückzieher mache.

Auch die Piraten würden Kahr wählen, sollten sie in den Gemeinderat einziehen.

Nagl stagniert

Dass Nagl erster wird, gilt als sicher, doch er stagniert bei 38 Prozent. Seinem Ziel, der 50 Prozent-Marke, kommt er nicht näher. Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics warnt im Standard-Gespräch vor "der Gefahr einer rot-rot-grünen Mehrheit" im Gemeinderat. Der ÖVP kämen Koalitionspartner abhanden, letztlich sei die Regierbarkeit der Stadt gefährdet.

Die ÖVP hat jetzt ein Callcenter eingerichtet, in dem rund 8000 Parteimitglieder von der Dramatik der Situation und der Notwendigkeit wählen zu gehen, überzeugt werden sollen.

Die KPÖ übt sich in Bescheidenheit: "Die KPÖ muss Stimmen dazugewinnen, damit Elke Kahr in der Stadtregierung weiterarbeiten kann", glaubt KPÖ-Gemeinderat Manfred Eber. Die guten Umfragewerte seien bloß ein " Spin der ÖVP", um deren Wähler zu mobilisieren. Die ÖVP habe die Umfrage schließlich in Auftrag gegeben.

Dass jetzt auch die SPÖ sehr offen mit einer Dreierkoalition liebäugelt, registriert die KPÖ auch mit Skepsis. Die Kommunisten haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es als ausgemacht scheint, dass in der Stadt - wie es im Land der Fall ist - eine SPÖ-ÖVP-"Reformpartnerschaft" eingerichtet wird. Tatsächlich heißt es aus der SPÖ, dass es vor einigen Wochen ein Treffen mit Nagl gegeben habe, wo es um eine mögliche Zusammenarbeit ging.

Rotes Gespenst

Auch wenn hinter dem "roten Gespenst" jede Menge Wahlkampftaktik stecken könnte, parteiinterne E-Mails der ÖVP, die dem Standard zugespielt wurden, zeigen, dass man tatsächlich hochgradig nervös ist und versucht, das Steuer umzureißen. Noch Anfang November empfahl die Stadtparteileitung der ÖVP ihrem engeren Kreis, Elke Kahr nicht anzugreifen. "Ihr soziales Engagement ist glaubwürdig", heißt es wörtlich im schwarzen Partei-E-Mail, das sich liest wie eine KPÖ-Broschüre, "Die Kommunisten greifen im Wahlkampf niemanden an, zeigen nur auf, was sie tatsächlich gemacht haben und versprechen nichts Unhaltbares". Und: Kahr zu attackieren "würden die Wähler/innen als Foul empfinden".

Tage später ist der Ton der E-Mails ein anderer: Man müsse bei jeder Gelegenheit potenzielle Wähler auf die Gefahren eine linken Bündnisses aufmerksam machen, die da wären: "Stillstand, politisches Chaos, Unregierbarkeit". Und am 18. November warnt die Stadtparteileitung: "Die Lage ist wirklich ernst", die KPÖ sei die "einzige, die derzeit mit einem starkem Plus rechnen können".

Auch in der SPÖ ist wegen der jüngsten Umfrage Feuer am Dach. Man erhoffte sich, über 20 Prozent zu kommen und steht vor 12 bis 14 Prozent. "Ein typisch bürgerliches Phänomen", tröstet man sich im SPÖ-Wahlkampfteam. Viele könnten sich eben nicht leisten, am Wahltag wegzufahren, also hätte nur "bürgerliches Publikum" den vorgezogenen Wahltag, von dem die Exit-Poll-Befragung stammt, genützt. Warum dann die KPÖ so gut in der Umfrage abschnitt, kann man im Schröck-Team nicht schlüssig erklären.  (Walter Müller, Colette M. Schmidt , DER STANDARD, 22.11.2012)