In der Tradition dreckiger kleiner Provinzthriller: Stefan Ruzowitzkys US-Thriller "Cold Blood".

Foto: Constantin Filmverleih

Wien – Hier wird gleich zu Beginn dick aufgetragen: Ein infernalisches Pärchen überlebt einen Autounfall und flüchtet mit viel Geld und einer Waffe, aber ohne Fahrzeug oder Mütze ins verschneite US-Hinterland nahe der kanadischen Grenze. Zur selben Zeit verlässt ein junger Mann mit breitem Rücken und wiegendem Gang ein Gefängnis. Sein erster Weg in Freiheit führt ihn zu einem alten Weggefährten und gleich mitten in eine Konfrontation, die nicht wie erwartet endet.

Die Geschichten verlaufen eine Weile parallel, aber es ist klar, dass sie einander nicht erst im Unendlichen kreuzen werden. Eine Figur wechselt die Seiten und ihre Identität. Eine ergänzt nach und nach ihre Garderobe und vergießt dabei nicht nur ihr Blut. Und eine dritte wähnt sich schon verloren, wird dann aber doch noch wachgeküsst. Darüber hinaus werden chauvinistische Provinzpolizisten und ihre wackere Kollegin, ein knorriger Ex-Sheriff und seine patente Frau sowie eine Handvoll Landeier ins Geschehen und einen Schneesturm involviert.

Stefan Ruzowitzkys erste US-Produktion, die eigentlich Deadfall heißt und auf Deutsch nun Cold Blood gerufen werden will, ist ein Genrefilm in der Tradition dreckiger kleiner Provinzthriller. So wie sie vor rund zwanzig Jahren etwa John Dahl inszenierte (Kill Me Again, The Last Seduction) oder Carl Franklin (One False Move) und nicht zuletzt die Coen-Brüder. Deren Filme spielten damals ihrerseits mit Figuren und Erzählstandards des Film noir, versetzten diese mit lakonischem Humor und Lokalkolorit, und ließen Femmes fatales und Cops und Killer plötzlich wieder menschlich wirken.

Dass der österreichische Oscar-Preisträger Ruzowitzky sich für seinen ersten "Erwachsenenfilm" nach Die Fälscher so ein quasi räudiges Projekt ausgesucht hat, lässt auf gute alte Vorlieben schließen. Damit dieses Genrespiel funktioniert, braucht es verlässliche Schauspieler. Über die verfügt Cold Blood zweifellos: etwa mit Sissy Spacek und Kris Kristofferson in Nebenrollen und grundsätzlich auch mit Eric Bana und Olivia Wilde sowie Charlie Hunnam als zentralem Trio.

Aber es braucht auch ein gutes Drehbuch. Und das Debüt des Autors Zach Dean gibt dem Cast vor allem mit den hölzernen Dialogen wenig an die Hand. Die meisten Sätze wirken, als wären sie notdürftig aus allerhand küchenpsychologischen Lebensweisheiten zusammengezimmert ("Dein Vater liebt dich sehr, aber er kann es nicht zeigen"). Die Dynamik, die der Film mit seinen aktionistischen Sequenzen erzielt – oder mit markigen Überzeichnungen wie der offenkundig übermenschlich hohen Schmerztoleranz des Bösewichts -, wird in diesen bemühten Unterredungen dann leider wieder ausgebremst. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 22.11.2012)