Hamburg/Berlin -Über die Zukunft der Wirtschaftsmedien von Gruner +Jahr, darunter die "Financial Times Deutschland" (FTD), ist nach Angaben des Zeitschriftenkonzerns noch nicht endgültig entschieden. Wie Konzernsprecher Claus-Peter Schrack am Mittwochabend mitteilte, laufen noch letzte Gespräche zu einem möglichen Verkauf der "FTD".

"Richtig ist, dass der G+J-Aufsichtsrat den G+J-Vorstand in seiner Aufsichtsratssitzung ermächtigt hat, einen Verkauf, Teilschließung oder Schließung der G+J-Wirtschaftsmedien vorzunehmen", teilte Schrack mit. "Es laufen aktuell letzte Gespräche zu einem potenziellen Verkauf der "FTD", ein endgültiger Beschluss des Vorstandes ist damit noch nicht gefasst." Der G+J-Aufsichtsrat war am Mittwoch zu einer turnusmäßigen Sitzung zusammengekommen.

"Vor der Einstellung"

Am selben Tag war auf der Internetseite der "FTD" zu lesen: "Die "Financial Times Deutschland" steht vor der Einstellung. In den vergangenen Tagen erreichten zahlreiche Leserbriefe dazu die Redaktion - für die wir uns von ganzem Herzen bedanken und die wir nachfolgend dokumentieren. Jetzt warten wir die Entscheidung unserer Verlagsführung ab. Dann blicken wir nach vorn."

Bei den Wirtschaftstiteln arbeiten nach Verlagsangaben rund 330 Menschen. Zu den Titeln gehören neben der Tageszeitung "Financial Times Deutschland" die Magazine "Capital", "Impulse" und "Börse Online".

Deadline: Jänner?

Die "Wirtschaftswoche" hatte berichtet, dass die "FTD" voraussichtlich im kommenden Jänner zum letzten Mal erscheinen solle. Zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) berichtet, der G+J-Vorstand habe beschlossen, die "FTD" einzustellen und die Zeitschriften "Impulse" und "Börse Online" zu verkaufen. "Capital", das 1962 erstmals auf den Markt kam, soll demzufolge von Berlin aus weitergeführt werden.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appellierte an die soziale Verantwortung des G+J-Managements. "Sparmaßnahmen dürfen nicht einseitig zu Lasten der Journalistinnen und Journalisten beschlossen werden", teilte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken in Berlin mit. Der stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), Frank Werneke, fürchtet, dass mehr als 200 Arbeitsplätze gestrichen würden.

Proteste

Arbeitnehmervertreter haben sich schockiert über das erwartete Aus für die Zeitung "Financial Times Deutschland" ("FTD") und andere Titel des Hamburger Verlags Gruner + Jahr geäußert. Er sei "entsetzt" über die Pläne und zweifle "an der unternehmerischen Kompetenz des Vorstands", erklärte der Gesamtbetriebsrat der bedrohten Wirtschaftsmedien von Gruner + Jahr .

Der Betriebsrat erklärte, die vorliegenden Konzepte seien "nach unserer Kenntnis" geeignet, den Wirtschaftsmedien eine "hervorragende digitale Perspektive" zu sichern. In der Vergangenheit war unter anderem auch gemutmaßt worden, der Verlag könne die gedruckte Ausgabe der "FTD" und der anderen Medien einstellen und sich ausschließlich auf die Veröffentlichung im Internet konzentrieren. Der Vorstand müsse alles tun, um Jobs zu erhalten oder Alternativen zu schaffen.

Kritik von der Gewerkschaft

Scharfe Kritik an dem Unternehmen übte auch die Gewerkschaft Verdi. "Gruner + Jahr ist ein profitabler Verlagskonzern", erklärte Vize-Bundeschef Frank Werneke in Berlin. Einen großen Teil der Wirtschaftsmedien einzustellen, sei "keine Entscheidung aus der Not heraus".

Gruner + Jahr gibt unter anderem Zeitschriften wie "Stern" und "Brigitte" heraus. Der Verlag gehört zu 74,9 Prozent dem deutschen Medien-Großkonzern Bertelsmann, 25,1 Prozent der Anteile hält die Hamburger Verlegerfamilie Jahr.

Mehr als 200 Jobs gefährdet

Nach Verdi-Angaben ist zu befürchten, dass mehr als 200 der 350 Jobs in der gemeinsamen Redaktion der Gruner + Jahr-Wirtschaftsmedien gestrichen werden. Auch auf freie Journalisten und Verlagsangestellte werde sich der Beschluss negativ auswirken. "Das Ausmaß dieses Kahlschlags sucht in der deutschen Verlagslandschaft seinesgleichen", erklärte Werneke. Es gebe Alternativen.

Soziale Verantwortung

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte von der Verlagsführung "soziale Verantwortung" ein. "Die Schaffung von Alternativarbeitsplätzen für die Betroffenen muss oberste Priorität haben", erklärte DJV-Bundeschef Michael Konken in Berlin. Wo dies nicht möglich sei, müssten Lösungen "deutlich über den üblichen Sozialplankonditionen" angeboten werden.

In der deutschen Medienbranche herrscht derzeit nach mehreren schlechten Nachrichten große Besorgnis. Vor kurzem ging die Traditionszeitung "Frankfurter Rundschau" pleite, die Nachrichtenagentur dapd meldete teilweise Insolvenz an.

Der Verlag Gruner + Jahr, der auch Magazine wie "Geo", "Gala", "Stern", "Brigitte" und "Neon" herausgibt, gehört mit einem Umsatz von rund 2,3 Milliarden Euro (2011) zu den größten in Europa. Mehrheitseigener ist mit 74,9 Prozent die Bertelsmann SE & Co. KGaA. Eine Sperrminorität von 25,1 Prozent hält die Hamburger Verlegerfamilie Jahr. (APA, 21.11.2012)