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Europa flattert derzeit ein wenig beim Ausbau der Kredithilfe für Athen.

Foto: ap/Petros Giannakouris

Der griechische Premierminister Antonis Samaras hat in Europa wenige Freunde. Mittwoch um acht Uhr früh zeigte er in Athen, warum das so ist: " Technische Probleme rechtfertigen weder Nachlässigkeiten noch Verzögerungen", richtete er den Eurofinanzministern aus.

Die waren in Brüssel gegen fünf Uhr früh - nach einer zwölf Stunden dauernden Marathonsitzung - gerade erst aus dem Sitzungssaal gewankt. Und ihr Chef Jean-Claude Juncker musste enttäuscht einräumen, dass sie es nicht geschafft hätten, das seit Juni ausgesetzte Hilfsprogramm für die Griechen zu erweitern bzw. zu finanzieren - gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die Sitzung sei "unterbrochen", nicht abgebrochen, betonte Juncker. Am kommenden Montag gehe es weiter, noch seien wichtige "Details" zu klären. Sie sehe "eine Chance", dass es dann zum Abschluss kommt, sagte Angela Merkel im deutschen Bundestag. Auf die Kanzlerin, die sich in Sachen Eurohilfen seit 2010 nicht drängen lässt und vor der Illusion einer raschen "Wunderlösung" auf einen Schlag warnt, kommt es an - wegen der Finanzierung.

Hilfsprogramm "aus der Spur"

Dass ausgerechnet Samaras sie und die Partner wegen einer Verzögerung von ein paar Tagen rüffelte, mutete da wie ein schlechter Witz an. Der Chef der Konservativen ist einer der Hauptverantwortlichen, warum das Hilfsprogramm (aus zwei Kredithilfspaketen von mehr als 200 Milliarden Euro samt Schuldennachlass privater Gläubiger von 100 Milliarden Euro) überhaupt "aus der Spur" geraten ist.

Im Herbst 2011 verweigerte er sich einer Regierung des nationalen Schulterschlusses mit Pasok-Premier Georgios Papandreou. 2012 hintertrieb Samaras die Reformbemühungen einer Übergangsregierung. Im Mai und Juni gab es zweimal Neuwahlen, Wahlkämpfe, dann monatelange politische Lähmung in Athen.

Erst vor einer Woche hatte Samaras ein im Parlament mühsam erkämpftes Reformpaket (13,5 Milliarden Euro) in Brüssel abgeliefert: 800 Seiten in griechischer Sprache. Die Troika aus EU, IWF und Zentralbank (EZB) konnte lange nicht genau beziffern, wie hoch die Mehrkosten aus all dem für die Rettungsmaßnahmen bis 2020 exakt sind; vor allem: wer dafür auf welche Weise aufkommt.

Das, so erzählen Experten der Eurogruppe, sei der Grund, warum man sich noch immer mit der fälligen Auszahlung der sistierten Kredittranche für Athen aus dem zweiten Quartal 2012 - 31,5 Milliarden Euro - herumschlage. Bis Jahresende werden es sogar 44 Milliarden sein, die gemäß Plan auszuzahlen sind. Durch Verzögerungen und den scharfen Konjunktureinbruch fehlen in Athen jetzt zusätzlich 32 Milliarden Euro bis Ende 2016, davon 15 Milliarden Euro allein für 2013 und 2014. Das hat die Troika inzwischen geklärt, so wie sie den Geberländern vorgerechnet hat, dass das Land das vereinbarte Ziel einer Gesamtverschuldung von 120 Prozent der Wirtschaftskraft (BIP) bis 2020 verfehlen wird. Wenn nichts geschieht, würden die Staatsschulden 144 Prozent des BIP betragen.

Vertragliche Hürden

Letzteres hindert den IWF aufgrund seiner Statuten daran, seine Zahlungen fortzusetzen, weil es an "Nachhaltigkeit" fehle, so der Standpunkt von IWF-Chefin Christine Lagarde. Bei der Lösung dieser beiden Probleme stecke man fest, machte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in der Früh klar. Erst wenn es dazu zwischen EU und IWF Einigkeit gibt, können die überfälligen 44 Milliarden Euro ausbezahlt werden. Zieldatum dafür war und ist der 5. Dezember. Da der geltende EU-Vertrag einen direkten Schuldenerlass ("bailout") für die Griechen, den von Lagarde geforderten "Schuldenschnitt", verbietet, sucht die Eurogruppe nach Ersatzlösungen. Ihr Ansatz, den Griechen zwei Jahre mehr Zeit bis 2022 zu geben, lehnt der IWF ab.

Auf der Auswahlliste stehen: Zinsenerlass für die Hilfskredite auf zehn Jahre, brächte 43 Milliarden, senkt die Schulden um 16,9 Prozent; die EZB verzichtet auf Gewinne aus Anleihen, die sie von den Griechen gekauft hat (minus 4,6 Prozent); oder die Eurostaaten stocken Hilfen aus dem EFSF um zehn Mrd. auf, was Merkel befürwortet.

Entscheiden wird die Eurogruppe nun in fünf Tagen: Die Sitzung soll sicherheitshalber schon am Vormittag beginnen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 22.11.2012)