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Jene Männer, die sich für Gleichberechtigung einsetzen, dem Feminismus viel abgewinnen und feministische Männerforschung betreiben, werden von AntifeministInnen gerne als "lila Pudel" beschimpft.

Foto: Reuters/TOBIAS SCHWARZ

Bislang waren sie im deutschsprachigen Raum vor allem ein Phänomen des Internet, doch zunehmend erobern sie nun auch die analoge Welt: Die "Maskulisten", "Männerrechtler" und "Antifeministen", wie sie sich selbst nennen, gründen Parteien, halten Kongresse, demonstrieren, organisieren Störaktionen und schreiben Zeitungs-Kommentare. Ihre Grundargumentation lautet dabei immer gleich: Die Gleichstellung der Geschlechter sei erreicht, die Emanzipation abgeschlossen. Mit der Realität habe diese Einschätzung jedoch wenig zu tun, attestiert Thomas Gesterkamp im neuen Band "Die Maskulisten".

Erst vor kurzem hat die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Männerrechtsbewegung begonnen. Manche sagen auch zu spät, denn nicht selten stammen solche Zeitungs-Kommentare aus der Feder von Universitätsprofessoren und verleihen den aggressiven Thesen den Anschein von seriöser Expertise: So wurde es in den letzten Jahren und Monaten eine salonfähige Meinung, dass der pädagogische Apparat ein "angewandtes Kaderprinzip der feministischen Lobby" sei, Gleichstellung eine Bevormundung des Staates, Feminismus eine "Ideologie des Männerhasses" und Frauenhäuser ein sich selbst erhaltendes System.

Tabubrüche der besonderen Art

Eine besonders frauenfeindliche Äußerung kam im Juli von der FPÖ-Politikerin Brigitte Kashofer: Frauenhäuser seien "an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt". Gerade die Verharmlosung von Männergewalt bringt die Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ) besonders auf, zumal der Gewaltschutz in Österreich ein langer und mühsamer Weg zum Schutz der Frauen war. "Nun erzählen uns Antifeministen ihre Einzelschicksale, von einer Frau geschlagen worden zu sein. Tatsächlich nimmt Männergewalt absolut überhand, aber das blenden sie völlig aus. Ihre Argumente entbehren jeder wissenschaftlicher Statistik und sind Unsinn", so Ablinger gegenüber dieStandard.at.

Ähnlichen "Unsinn" hätten Herr und Frau ÖsterreicherIn auch im Wochenmagazin "Profil" nachlesen können. Redakteure inszenierten die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen als "Mythos" und warfen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) vor zu lügen. Das Infragestellen der Lohnschere gehört für Ablinger zu einem Tabubruch der besonderen Art.

Trägerrakete in den öffentlichen Mainstream

Für die Frauenpolitikerin ist klar: Mit der Obsorgedebatte erhielten die AntifeministInnen einen gewaltigen Push, um sich in der Diskurswelt außerhalb des Internets zu etablieren. Erprobt und gestärkt durch das Internet fanden sich die "Väterrechtler" bald auch auf der Straße ein, störten Familienrechtsdiskussionen und gründeten schließlich eine Partei. Für Ablinger insgesamt eine "Angst erregende Entwicklung". Die Vorarlberger Männerpartei blicke zwar auf eine kurze Geschichte, die Protagonisten greifen jedoch auf altbewährte Strategien zurück: Mit der Haltung, Opfer des Feminismus zu sein, würden sie ökonomische Daten und Sozialstatistiken einfach ausblenden. Entgegen dem Bild, das VäterrechtlerInnen gerne verbreiten würden, seien die ungeklärten Unterhaltszahlungen nämlich die Mehrheit der Obsorgekonflikte, und nicht die Fälle, in denen Väter ihre Kinder nicht sehen dürfen. Sie warnt: "Die Männerrechtler überschwemmen uns, sie sind eine Trägerrakete in den öffentlichen Mainstream."

Was ist passiert?

Für diese in ihrer Form neue gesellschaftliche Debatte macht die feministische Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss mehrere Gründe verantwortlich. Auf der einen Seite fände eine Radikalisierung und Individualisierung statt, deren Ausgangspunkt die Aufkündigung des sozialen Kompromisses und der Abbau des Sozialstaates sei. Die soziale Inklusion werde mit Postulaten an die Eigenverantwortung in Frage gestellt und betreffe damit auch die Geschlechtergerechtigkeit.

Auf der anderen Seite sei zwar auf legistischer Ebene einiges an Gleichstellungsbemühungen realisiert worden. Ausgeblendet werde jedoch, dass Frauen weiter in vielen Bereichen benachteiligt und Männer die Profiteure des Systems bleiben. "Dadurch ist ein gesellschaftliches Klima entstanden, in dem davon ausgegangen wird, dass die Gleichstellung bereits erreicht sei", so Weiss. Gleichzeitig würden dem Feminismus seine sozialkritischen Bestandteile abgeschnitten, was die Entstehung eines "Elite-Feminismus" begünstigt habe, der nur wenige, gut ausgebildete Mittel- und Oberschicht-Frauen anspreche und in neoliberale Ideologien integrierbar sei.

Antifeminismus durch staatliche Institutionen legitimiert

Aber auch die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise habe ihres dazu beigetragen, die Maskulisten aus dem Internet ins reale Geschehen zu befördern: Das traditionelle Männerbild des Familienernährers - ohnehin schon längst im Wanken - erfuhr einen verschärften Wandel. Eine Grund-Ingredienz, um die sogenannte Männlichkeitskrise laut und auch offline zu inszenieren. Schließlich sei die antifeministische Debatte aber auch von staatlichen Institutionen mitgetragen und befördert worden. Mit der männerpolitischen Grundsatzabteilung, die 2001 unter Schwarz-Blau eingerichtet wurde und in ihren Anfängen eine "eindeutig antifeministische Ausrichtung" hatte, sei die einschlägige Debatte beflügelt und legitimiert worden.

Politisiert zu Fleisch geworden

Politisiert durch diese verschiedenen Entwicklungen organisierte sich zunehmend auch außerhalb des Internets eine bestimmte Gruppe von Männern, die Weiss als politisch rechts, konservativ, überwiegend bürgerlich, weiß, männlich beschreibt. Diese kleine elitäre Gruppe verfüge über ausreichend Netzwerke und Ressourcen, sodass sie lauthals an öffentlichen Debatten teilnehmen können. AntifeministInnen, so die Politikwissenschaftlerin, würden sich aber nicht nur als Zeitungs-Kommentatoren oder in dezidierten Männerparteien zeigen, sondern fänden sich auch in anderen, vor allem rechtspopulistischen bis konservativen Parteien ein.

Weiss und Ablinger sind sich einig: Ein Grund für den großen Anklang des inszenierten Männerleids außerhalb des Internets erlangen sie durch deren einfache Argumentationsmuster, die wissenschaftliche Fakten ignorieren. In der Öffentlichkeit bewirke diese Art der Kommunikation eine große Wirkung.

"Im Grunde ist die Argumentation der AntifeministInnen immer eine, die nicht über Gesellschaft und gesellschaftliche Strukturen nachdenkt", so Weiss. Hin und wieder geschehe es, dass gesellschaftliche Verhältnisse angesprochen werden, jedoch höre man dann etwa, dass Männer von der Wirtschaftskrise schwerer getroffen wurden als Frauen. "Eine weitere Vereinfachung", so Weiss.

Unhinterfragte Allgemeinplätze

Nach wie vor würden Männer von der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung profitieren, der weitgehenden "Befreiung" von unbezahlter Reproduktionsarbeit und der höheren Bewertung von männlich konnotierter Arbeit, auch wenn manche Privilegien heute zunehmend in Frage gestellt werden. Die sogenannte Männlichkeitskrise, erklärt Weiss gegenüber dieStandard.at, mutiere in der öffentlichen Debatte zunehmend zu einem unhinterfragten Allgemeinplatz und rechtfertige antifeministische Argumentationen. Die dafür notwendige und wichtige Bühne erhielten die "Kronzeugen" der Maskulisten in Medien. Für die Politikwissenschaftlerin jedoch nicht verwunderlich, zumal "Medien verstärkt nach einer marktbezogenen Logik agieren, die eine Tendenz zur Skandalisierung fördert". Mit Tabubrüchen Aufmerksamkeit und somit LeserInnen, AbonnentInnen und Klicks zu generieren, sei das Ziel unternehmerischen Handelns in Medienbetrieben.

Die Politikwissenschaftlerin kritisiert, dass gerade in der Geschlechterfrage dieser Tabubruch am schnellsten gesetzt werde. "Fragen der Qualität und der Diskursethik sind offenbar angesichts der Enttabuisierung von Frauen- und Feminismus-Bashing obsolet geworden. Die Grenzen des Sagbaren wurden verschoben". Der Diskurs über die Männlichkeitskrise sei letztlich eine Strategie zur Stabilisierung männlicher Herrschaft - und das treffe offline genauso wie online zu. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 22.11.2012)