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Beispielhaft, mutig, verantwortungsbewusst: So werden Väter, die in Karenz gehen, gesehen. Studien zeigen auch positive Auswirkungen auf Beziehungen.

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Mithilfe von Daten über Rollenbilder und Laufbahnen soll diese Lücke nun geschlossen werden. 

Fast alle entschieden sich gegen den Hemdträger und den Normalo, aber für den Rocker in Lederkluft und den strammen Oben-ohne-Muskelmann. Auf der Internetseite KarenzYourself können sich Männer in die "Liga der ehrenwerten Karenz-Papas" einschreiben. Vier Prototypen stehen zur Auswahl, denen man sein Gesicht aufpflanzen kann, um zum " Flascherlwärmer" oder "Windelwechselweltmeister" gekürt zu werden. So unterschiedlich sie sind, sie alle haben ein Baby auf dem Arm und sind " echte Männer", sagt die Webseite der Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Sie rührt seit 2010 die Werbetrommel für die Männerkarenz.

Immer noch nehmen sehr wenige Männer die Möglichkeit wahr, sich für die Betreuung ihrer Kinder karenzieren zu lassen. Man spricht von etwa fünf Prozent. Aber nicht einmal darüber weiß man genau Bescheid. Wie viele Karenzväter es gibt und wie ihre Karrieren- und Familiengeschichten verlaufen, ist kaum erforscht.

Helene Schiffbänker von der Grazer Forschungsgesellschaft Joanneum Research will diese Lücke schließen. Ihr Projekt "Väterkarenz: Auswirkungen auf Karrieren von Männern" will genaue österreichweite Zahlen aufarbeiten und untersuchen, wie sich Rollenbilder auf die Praxis von Männerkarenz auswirken.

Karenzpapa mit Karriere

Über Mütterkarenz wisse die Forschung sehr viel, nämlich dass diese zu Einbrüchen in der Karriere der Frau führt, unabhängig vom Bildungsniveau und davon, ob diese im öffentlichen oder privaten Sektor beschäftigt ist. Unerforscht ist jedoch, wie sich die Karenzierung auf die Karriere von Männer auswirkt. "Es gibt die Hypothese, dass sie für Männer wie ein Asset wirkt", erklärt Schiffbänker. Für die männliche Karriere könnte also Karenz sogar dienlich sein.

Denn das Image der Karenzpapas ist gut. Beispielhaft, mutig und verantwortungsbewusst werden sie etwa in einer niederösterreichweiten Befragung von 2010 beschrieben - eine der wenigen Studien zum Thema. Sie zeigte, dass 62 Prozent der Männer zur Karenz bereit wären. Der reale Vergleichswert ist aber ernüchternd: sechs Prozent der Befragten waren tatsächlich karenziert.

"Die Väterkarenz ist nach wie vor kein Allgemeingut, weder in den Köpfen von Männern und Frauen noch in den Strukturen", diagnostiziert Erich Lehner, einer der Studienautoren. Der Psychoanalytiker und Männerforscher gilt als österreichischer Experte für Männerkarenz.

Als größtes Hindernis nennen die Befragten einen befürchteten Einkommensverlust und Karriereeinbruch. Es gebe tatsächlich eine Gruppe, die sich die Väterkarenz nicht leisten könne, berichtet Lehner, für den Großteil ergäben sich aber keine oder verkraftbare Einbußen. In tiefergehenden Interviews wurde deutlich, dass sich viele Männer die Frage, ob Karenz für sie in Betracht kommt, gar nicht ernsthaft gestellt hatten.

Daher ist Schiffbänkers Projekt auf Rollenbilder fokussiert und darauf, wie diese die Praxis der Väterkarenz beeinflussen. Das zweijährige Projekt startete im Oktober und wird vom Nachwuchsforschungsprogramm Sparkling Science des Wissenschaftsministeriums gefördert. Schüler der AHS Rahlgasse in Wien sind in die Daten-und Feldanalyse eingebunden.

Was die Kollegen dazu sagen

Es werden Interviews mit Karenzvätern, Unternehmensvertretern und Kollegen gemacht. Letztere seien eine wichtige Gruppe, sagt Schiffbänker. Wie sich ihre Ablehnung oder Unterstützung auf die Entscheidung für Männerkarenz auswirkt sei bisher gänzlich unerforscht. In der Sozialforschung spricht man von "resistances", Widerständen. "Das können auch kleine Handlungen im Alltag sein", erklärt Schiffbänker.

"Es gibt Fälle von Mobbing, aber das ist nicht an der Tagesordnung", sagt Lehner. Die große Angst der Unternehmen, dass der Mann drei Jahre lang fehlt, sei unrealistisch, da Väterkarenz durchschnittlich nur drei bis sechs Monate dauert. "Karenzväter sind mehrheitlich da, wo der Chef dafür ist", erzählt Lehner. "Das Signal, dass Männerkarenz erwünscht ist, muss von oberster Spitze kommen." Vorgesetzte sollten aktiv auf Mitarbeiter zugehen. Zauberworte seien "Handlungsspielräume" und " Karenzmanagement".

Das Sparkling-Science-Projekt wird wissenschaftlich von der schwedischen Örebro University unterstützt. Skandinavien gilt hier als Vorreiter. " Frauenfragen waren dort immer verbunden mit Familienfragen", sagt Lehner, während bei uns oft das eine durch das andere konterkariert werde. Hier agiere man systemerhaltend, dort geschlechtergerecht.

Aus norwegischen Studien wisse man, dass sich die Männerkarenz auch auf die Beziehung der Eltern positiv auswirke. So gebe es etwa weniger konfliktreiche Scheidungen, sagt Lehner. "Selbst drei Monate Karenz bewirken, dass er später ein präsenterer Vater ist", bestätigt seine Forschung. Und überhaupt ändere sich damit das Männerbild insgesamt: " von einem hierarchischen zu einem sozial aktiven."

Das Thema Väterkarenz spielt in sehr viele Forschungsgebiete hinein. Lehner fordert daher eine ganzheitliche Sicht: "Nicht nur Kinderbetreuung, auch die Pflege alter und sterbender Menschen ist eine Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch hier sind die Männer mehr gefragt." (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 21.11.2012)