Wien - Den Gesundheitsverhandlern reicht's. Alle sechs - Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), Wiens Gebietskrankenkassen-Obfrau Ingrid Reischl und Hauptverbands-Vorsitzender Hansjörg Schelling - haben am Dienstagmorgen ihre Unterschrift unter einen zweiseitigen Brief gesetzt, mit dem die Ärztekammer zur Mäßigung aufgerufen wird. Diese hatte in den letzten Wochen öffentlichkeitswirksam vor möglichen Auswirkungen der anstehenden Gesundheitsreform gewarnt; heute, Mittwoch, gibt es eine Kammer-Vollversammlung in Wien.

Dann wollen die Ärzte auch auf den offenen Brief reagieren, in dem die Verhandlungsgruppe ungewohnt deutlich wird: "Es kann nicht sein, dass die Interessenvertretung die Ärzte dazu motiviert, das oftmals beschworene Vertrauensverhältnis zum Patienten zu missbrauchen, um Misstrauen gegen die Gesundheitsreform zu säen", heißt es darin, außerdem wird die Kammer ersucht, "die Patienten nicht zu verunsichern". Stöger sagte dem Standard, er verwehre sich nicht gegen konstruktive Kritik, die Ärztekammer würde aber Dinge verbreiten, "die in der Gesundheitsreform gar nicht vorkommen".

Protest im weißen Kittel

In der Einladung zu der Vollversammlung, die die Wiener Ärztekammer an ihre Mitglieder verschickt hat, ist etwa zu lesen, es werde der Versuch unternommen, "das Gesundheitssystem zu verstaatlichen und gnadenlos einzusparen" - und zwar "satte elf Milliarden Euro". Tatsächlich war stets von einer Kostendämpfung die Rede, insgesamt werden die Ausgaben für das Gesundheitssystem dennoch steigen. Von politischer Seite werde versucht, "die Ärzteschaft zu spalten", meint die Kammer. Die Ärzte sollen sich daher bei der Vollversammlung "selbst ihr Bild über dieses unwürdige Schauspiel und die offensichtlich panische Angst vor einer sachlichen Auseinandersetzung machen"; und sie sollen im weißen Kittel kommen.

Tatsächlich steht die für die Reform notwendige 15a-Vereinbarung kurz vor der Finalisierung. Konkret geht es darum, Sozialversicherungen und Länder dazu zu bringen, die Versorgung durch Spitäler und niedergelassene Ärzte, bisher zwei Systeme im System, gemeinsam zu planen. Davon verspricht sich die Politik mehr Effizienz, auch was die Kosten betrifft. "Wir sind sehr weit", betonte Gesundheitsminister Stöger am Dienstag. Derzeit werde an den sprichwörtlichen Beistrichen gefeilt.

Am Freitag dieser Woche findet die nächste große Verhandlungsrunde statt, dann könnte eine Einigung schon zum Greifen nahe sein. Ein möglicher Termin für den Beschluss wäre der 19. Dezember. Für diesen Tag hat Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zu einer außerordentlichen Landeshauptleutekonferenz eingeladen. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 21.11.2012)