Der Jurist Mirko Hämmerle ist Vermögens- und Versicherungsbrater bei seiner Wiener Firma Goldengnu.

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derStandard.at: Herr Hämmerle, angenommen, ein freiberuflicher Fotograf hat 10 000 Euro auf der Seite und möchte diese veranlagen. Was würden Sie ihm raten?

Mirko Hämmerle: Man kann diese Frage nicht eindeutig beantworten, es gilt zuerst herauszufinden, wo seine Prioritäten liegen - Sicherheit, Liquidität oder Rentabilität. Am wichtigsten ist erfahrungsgemäß das Thema Liquidität, also relativ kurzfristig verfügbares Geld. Natürlich geht es aber auch darum, wie risikobewusst jemand ist.

derStandard.at: Gibt es in den Vertretern der unterschiedlichen Branchen große Unterschiede, was die Risikobereitschaft angeht?

Hämmerle: Ich bemerke, dass unabhängig von der Branche die meisten sehr vorsichtig geworden sind. Diese Vorsicht ist Resultat von Zukunftsangst wegen der derzeit ungewissen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Hinzu kommen Unverständnis und Unwissen über Prozesse im Bankensektor und deren Produkte.

derStandard.at: Wird die Krise nicht auch als Chance wahrgenommen?

Hämmerle: Krisen sind im Allgemeinen zwar der ideale Moment zum Investieren in Wertpapiere, aber derzeit sind die Leute sehr misstrauisch und ich glaube auch zu Recht. Von vielen Aktien und Anleihen ist momentan abzuraten, weil das Verhältnis von Risiko und Ertrag noch nicht passt. Allerdings gilt es auch nicht die nächste Rallye zu verpassen. Das Sparbuch ist aufgrund der Inflation zwar immer ein Minusgeschäft, aber unterm Strich ist es für risikoaverse Anleger das sinnvollste, was momentan angeboten wird. Und da macht es auch keinen Sinn, das Geld ständig auf den jeweiligen Bestbieter bei Zinsen für Bankeinlagen zu transferieren, weil die Zinsen ohnehin derzeit überall sehr gering sind.

derStandard.at: Inwiefern unterscheidet sich Vermögensmanagement für Freiberufler von jenem für unselbstständig Erwerbstätige?

Hämmerle: Da gibt es eigentlich keine großen Unterschiede. Denn der Selbstständige kann morgen keine Aufträge bekommen, ebenso wie der Angestellte morgen gekündigt werden kann. Aber das Thema Liquidität hat natürlich für den Freischaffenden einen anderen Stellenwert, weil er neben dem Sicherheitspolster für eine etwaige Betriebsunterbrechung wegen Krankheit auch immer wieder Geld für Projekte vorstrecken muss, das bleibt dem Angestellten erspart.

derStandard.at: Wie empfehlenswert sind Produkte, die sich explizit an Freischaffende richten?

Hämmerle: Es gibt sehr viele Angebote, die sich an Freischaffende richten, diverse Sparoptionen und Konten, aber am Ende des Tages ist das sehr viel Marketing. Tatsächlich unterscheiden die Banken sehr stark zwischen Neugründern und Etablierten. Da schauen die Neugründer oft durch die Finger, etwa wenn es um einen Kredit geht um etwas aufzubauen, denn dafür braucht man wieder Sicherheiten, die viele Neugründer einfach nicht haben.

derStandard.at: Also nur jene, die Geld haben, bekommen es auch.

Hämmerle: Richtig, den neuen wird es sehr schwer gemacht, Fuß zu fassen. Da ist die Politik aufgerufen, etwas zu tun. Generell sollte man das Ansehen der Wirtschaftstreibenden in der Bevölkerung erhöhen und Neugründungen attraktiver gestalten, es gibt in diesem Bereich große Unsicherheiten, etwa was die Bürokratie rund um Finanzamt und Sozialversicherung angeht. Dieser wird oftmals als viel zu kompliziert erlebt, etwa wenn es um die Gewinnermittlung oder Fristen geht. Aber es gibt auch positive Entwicklungen wie etwa die Einführung des Gewinnfreibetrags, einer Steuerentlastung für Selbstständige.

derStandard.at: Worauf muss man dabei achten?

Hämmerle: Bei einem Gewinn bis zu 30.000 Euro kann man 13 Prozent ohne weitere Voraussetzungen geltend machen. Ist der Betrag höher, kann man weitere 13 Prozent durch einen zusätzlichen investitionsbedingten Freibetrag geltend machen.

derStandard.at: Welche Investitionen können das sein?

Hämmerle: Etwa spezielle Wertpapiere mit einer Mindestlaufzeit von vier Jahren, da gibt es unterschiedliche Risikoklassen und eine große Palette, vorzugsweise werden aber Fonds genommen. Will man davon noch heuer Gebrauch machen, sollte man schnellstens handeln. Man sollte seinen Gewinn für das Jahr 2012 kennen und sich mit einem Vermögensberater beraten, denn je nach Depotbank muss der Antrag für solche Investitionen noch vor Mitte Dezember in der Bank einlangen, damit dieser noch dieses Jahr gilt.

derStandard.at: Viele Selbstständige klagen über die SVA - verhindert ihre Praxis nicht oftmals eine gelungene Vermögensplanung?

Hämmerle: Es braucht definitiv noch mehr Transparenz bei den Sozialversicherungsträgern. Dass man nach zwei Jahren bei der SVA nachzahlen muss, versteht einfach keiner. Auch nicht, warum Unselbständige bei der GKK keinen Selbstbehalt haben. Zudem sollte beispielsweise die Einhebung der Beiträge durch das Finanzamt überlegt und die weitere Senkung der Lohnnebenkosten durchgeführt werden. (Nina Brnada, derStandard.at, 26.11.2012)