Michael Ludwig: Neue Gemeindebauten "sicher nicht in den nächsten Jahren".

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Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig kündigt eine "Überprüfung" der Lagezuschläge auf die privaten Wiener Altbaumieten an, denn diese seien "in vielen Fällen nicht gerechtfertigt". Eine Nachverdichtung der Stadt hält er für notwendig, er hätte in den diesbezüglichen Verhandlungen die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou "gerne an meiner Seite". Diese habe jedoch, wenn es um Verdichtung und weitere Neubauten gehe, "eine große Herausforderung mit ihren Bezirksorganisationen". Eine Aufstockung der Wiener Gemeindebauten durch private Bauträger wäre für ihn eine "Privatisierung durch die Hintertür", wie er im Gespräch mit Bettina Fernsebner-Kokert und Martin Putschögl sagt.

STANDARD: Ist der Vorschlag von Vizebürgermeisterin Vassilakou, die Mieten mit sieben Euro pro Quadratmeter zu deckeln, realistisch oder populistisch?

Ludwig: Es ist ein Vorschlag unter vielen. Wir beschäftigen uns seit Jahren intensiv mit diesem Thema und haben nicht nur Vorschläge gemacht, sondern auch Maßnahmen gesetzt. Das ist mit ein Grund, dass wir in Wien im internationalen Vergleich ja trotz allem sehr stabile Mietverhältnisse haben. Wir beobachten aber in einem kleinen Segment des Wohnungmarktes, dass es Preissteigerungen gibt - denen man mit konkreten Maßnahmen begegnen muss.

STANDARD: Ärgert es Sie nicht als Wohnbaustadtrat, dass die grüne Vizebürgermeisterin beim Wohnen jetzt die Themenführerschaft übernommen hat?

Ludwig: Themenführerschaft würde ich nicht sagen. Sie hat einen Vorschlag gemacht, den sie auch noch nicht sehr ausgeführt hat. Wir haben ja schon eine Woche zuvor - und vielleicht ist sie davon motiviert worden - bei einer Wohnrechtstagung ein Transparenzpaket vorgestellt. Ich habe dabei auch deutlich gemacht, wo es sinnvoll ist, Verhandlungen zu führen - denn es müssen ja auf Bundesebene die gesetzlichen Änderungen vorgenommen werden. Daher eignet sich der Vorschlag der Vizebürgermeisterin nicht für die Volksbefragung in Wien. Man muss sich eben auch den Mühen der Ebene unterziehen und konkrete Vorschläge machen.

STANDARD: In welcher Form soll Wohnen bei der Volksbefragung im Frühjahr thematisiert werden?

Ludwig: Das ist jetzt einmal Teil der Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien in Wien. Aber ich kann mir vorstellen, dass das Thema Wohnen eine Rolle spielt.

STANDARD: Wie konkret?

Ludwig: Das müssen wir mit den Grünen besprechen. Ich halte mich ja an die Tradition, dass man etwas zuerst mit dem Koalitionspartner bespricht, bevor man an die Öffentlichkeit geht.

STANDARD: Das heißt, Maria Vassilakou hat sich nicht daran gehalten?

Ludwig: (zuckt mit den Schultern).

STANDARD: Sie würden bei den Mieten gerne die Lagezuschläge streichen. Diese sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Gibt es da für Sie eine Handhabe?

Ludwig: In dem Transparenzpaket sind mehre Maßnahmen vorgesehen. Zum Beispiel, dass man befristete Mietverhältnisse weitgehend eindämmt, eine Deckelung bei den Zuschlägen auf die Richtwertmieten, aber auch, dass man den Lagezuschlag überprüft. Dieser ist in vielen Fällen nicht gerechtfertigt. Mieter können oft nicht mehr nachvollziehen, ob die Zuschläge gerechtfertigt sind. Wenn sie sich an die Schlichtungsstellen wenden, werden 90 Prozent der Fälle zu Gunsten der Mieter entschieden. Ich habe in meinem Ressort daher einen Mietzinsrechner eingerichtet, wo man sich ausrechnen lassen kann, ob die eigene Miete gerechtfertigt ist.

STANDARD: Sie meinen die Mieten im privaten Bereich?

Ludwig: Ja. Was die Vizebürgermeisterin auch vergessen hat zu betonen: im gesamten geförderten Bereich, bei den Gemeindewohnungen gibt es kein Zuschlagssystem, und 60 Prozent der Wiener leben in diesen Wohnungen. Durch die jetzige Diskussion entsteht der Eindruck, dass alle Mieten stark steigen. Sie steigen aber nicht für Altmieter, egal in welcher Wohnform, nicht für Mieter im Genossenschaftsbereich und in den Gemeindebauten. Diese Mieten werden nur an den Verbraucherpreisindex angepasst.

STANDARD: Sollte Wien nicht überlegen, doch wieder Gemeindebauten zu errichten?

Ludwig: Das werden wir in den nächsten Jahren sicher nicht machen. Aber wir haben mit den "Smart"-Wohnungen jetzt ein Angebot erstellt, das sich in dieser Tradition versteht - kompakte Wohnungen mit hoher Wohnqualität und besonders kostengünstigen Mieten.

STANDARD: Der geförderte Bereich ist durch die stark gestiegenen Grundstückspreise ebenfalls unter Druck. Wie kann die Balance zwischen Wohnraumbedarf und den strikten Kostenvorgaben bei Gemeinnützigen Bauträgern gefunden werden?

Ludwig: Unter Druck ist alles. Es ist leicht, plakative Aussagen zu machen, die Umsetzung ist dann schon schwieriger. Wir haben hier im Gegensatz zu anderen Städten eine Deckelung. Das heißt, auch jene, die Grundstücke verkaufen, wissen, dass wir zu keinen höheren Konditionen kaufen. Natürlich weiß man, dass die Bevölkerung in Wien in den nächsten Jahren wachsen wird. Der Wohnfonds Wien, wo wir Grundstücke für den geförderten Wohnbau ankaufen, ist ein sehr wirkungsvolles Instrument. Wir haben derzeit zwei Millionen Quadratmeter an Grundstücken und kaufen weiter an. Außerdem möchte ich in der Baurechtsnovelle als neue Kategorie "Förderbarer Wohnbau".

STANDARD: Eine Alternative wäre, in die Höhe zu bauen. Erarbeiten Sie bereits eine Nachverdichtungsstrategie?

Ludwig: Wir stocken bereits Gemeindebauten auf. Aber ich unterstütze nicht, dass Private Aufstockungen auf Gemeindebauten vornehmen. Das ist für mich eine Privatisierung der Gemeindebauten durch die Hintertür.

STANDARD: Sind Wohnhochhäuser mit bis zu zehn Stockwerken geplant?

Ludwig: Es wird notwendig sein, das wir auch in der Stadt in bestimmten Teilen verdichten. Ich bin ein großer Fan des Wiener Erbes, nämlich dass wir 50 Prozent der Fläche unverbaut lassen - der Wald- und Wiesengürtel, Grünflächen, die Weinberge müssen erhalten bleiben. Umgekehrt muss man dort, wo man bauen kann, auch wirklich bauen. Jeder ist in der Theorie für Verdichtung. Vor einem Jahr war ich gemeinsam mit Vizebürgermeisterin Vassilakou in Alpbach, wo sie sich sehr dafür ausgesprochen hat. Wenn es konkret um Verdichtungen und weitere Neubauten geht, hat sie aber eine große Herausforderung mit ihren Bezirksorganisationen. Ich lade sie ein, gemeinsam mit mir die Diskussion mit den Anrainern zu führen - da hätte ich Vizebürgermeisterin Vassilakou dann gerne an meiner Seite.

STANDARD: Auch die Reform der Stellplatzverordnung hat Konfliktpotenzial. Wie stehen da die Verhandlungen mit den Grünen?

Ludwig: Es gibt Gespräche, die wir auch unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen der Parkraumbewirtschaftung führen. Da warte ich auf eine Ende der Diskussion, da hat Vizebürgermeisterin Vassilakou auch noch viel zu tun. Danach wird man den Bedarf an Garagenplätzen sehen.

STANDARD: Stichwort Leerstände: Sie haben vor einem Jahr angekündigt, dass Sie ein Liegenschaftsmanagement der Stadt Wien installieren wollen. Wäre die geplante Zwischennutzungsagentur nicht besser bei Ihnen aufgehoben als im Kulturressort?

Ludwig: Ich habe angeregt, dass wir ein gemeinsames Liegenschaftsmanagement über die Ressortgrenzen hinweg einrichten, das ist auch geschehen. Wir arbeiten an einer operativen und strategischen Ausrichtung im Liegenschaftsmanagement. Dann wird man sehen, welche Liegenschaften unter Umständen veräußert werden können, welche man behalten möchte und wie diese genutzt werden können. Eine solche Agentur muss nicht zwingend in einem Ressort angesiedelt sein.

STANDARD: Merken Sie durch die aktuelle Debatte bereits einen verstärkten Zulauf bei den Schlichtungsstellen?

Ludwig: Das wäre mir noch nicht aufgefallen. Was wirklich Auswirkungen hatte, war der Mietzinsrechner, der den Mietern die Möglichkeit gegeben hat zu errechnen, ob sie zu viel Miete bezahlen und auch dagegen vorzugehen. Das hat die Zahl der Fälle beim Schiedsgericht erhöht. (Langfassung; Bettina Fernsebner-Kokert, Martin Putschögl, DER STANDARD, 20.11.2012)