Freundschaftliches Armdrücken: Neovampirin Bella Swan (Kristen Stewart) hat plötzlich Kräfte, die auch Emmeth Cullen (Kellan Lutz) überfordern.

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Wien - Alles ist neu und aufregend. Sinneseindrücke wirken plötzlich hundertfach verstärkt. Der Verstand rast, die Augen leuchten. Die eigenen Kräfte sind gar nicht richtig einschätzbar. Eine physische Verwandlung mit ungeahnten Folgen hat stattgefunden. Das ist nicht ungewöhnlich im Zuge des Erwachsenwerdens. Aber hier hat die Pubertätsmetaphorik noch einen anderen Hintergrund:

Die junge Bella Swan, inzwischen mit ihrem Liebsten, dem sanftmütigen Vampir Edward Cullen verehelicht und bereits Mutter, konnte nämlich nur durch Edwards Biss vorm sicheren Tod im Kindbett gerettet werden. Damit wurde sie selbst zum unsterblichen Wesen. Nur muss sie im Unterschied zum kultivierten, blässlichen Cullen-Clan erst noch lernen, ihren Hunger nach Blut zu zügeln, damit dieser anderen Menschen (und der eigenen Tochter) nicht gefährlich wird.

Das führt zu einem rasanten Intro, welches den verfremdeten Wahrnehmungsmodus übernimmt und mit seiner Heldin in Zeitraffergeschwindigkeit durch Wald und über Berge jagt, wo ihr nicht nur der verlockende Geruch eines ahnungslosen Freeclimbers in die Nase steigt. Auch an die Ausdünstung ihres besten Freundes Jacob, der bekanntlich ein Werwolf ist, muss sich Bella jetzt gewöhnen. Dafür kann sie ihr Verlangen nach ihrem angetrauten Edward endlich völlig hemmungslos ausleben. Vampire schlafen schließlich nie.

Die Twilight-Saga, jenes eigentümliche neuromantische Phänomen, das Millionen (weiblicher) "Twihards" weltweit zum Erfolg ungeahnten Ausmaßes befördert haben, geht auch im Kino in die letzte Runde. Der Film mit dem umständlichen Synchrontitel Breaking Dawn - Bis(s) zum Morgengrauen (Teil 2) ist der fünfte und letzte Teil der Adaption von Stephenie Meyers Buchbestsellerserie. Der Vorläufer hatte im Vorjahr - mit Hochzeit, Hochzeitsnacht und Geburtshorror - eher überschaubare Inhalte zu bewältigen. Das Finale hält noch einmal kompliziertere Wendungen der Erzählung bereit.

Dabei greift Breaking Dawn 2, wieder von Routinier Bill Condon inszeniert, auf jene visuellen Charakteristika zurück, die die Vorgänger ausgebildet haben: Der Film schwelgt in Groß- und Detailaufnahmen von Gesichtern. Stellvertretend fürs Publikum kann auch die Kamera den Blick nicht von Bella und Edward wenden - beziehungsweise von den mit der Twilight-Serie groß gewordenen Jungstars Kristen Stewart und Robert Pattinson. Der Film vermittelt so indirekt, aber effektiv ein schwärmerisches Lebensgefühl.

Ernste Vorkommnisse, drohende Gefahren werden in länglichen Sitzungen verhandelt, in denen die überschminkten, arg frisierten Figuren statuarisch wie für ein Gruppenbild posieren. Dazwischen sorgen selbstironische Referenzen für ein wenig Leichtigkeit und digitale Effekte für Action in Horrorfilmmanier.

Aktuell müssen die Cullens nämlich gegen ihre italienischen Verwandten, die Volturi, zu Felde ziehen. Letztere halten Bellas und Edwards Tochter Renesmee für einen Dämon. Die Cullens suchen ihrerseits in allen Weltgegenden Verbündete, die bezeugen, dass in der schnell wachsenden Renesmee trotz allem ein warmes Menschenherz schlägt. So formiert sich eine bunte Truppe, die neben unterschiedlichen Akzenten auch spezielle Superkräfte und entsprechende Schauwerte einbringt. Auf einem zugefrorenen See kommt es zum spektakulären Showdown.

Während die (erwachsene) Kritik angesichts des Films tendenziell die Augen verdreht, haben die eingeschworenen (jugendlichen) Fans bereits dafür gesorgt, dass das Finale nach dem Wochenende in den USA ein Einspielergebnis von 110 Millionen Euro verbuchen kann. Der österreichische Verleih Constantin meldet nach Vorpremieren als Einzelwerk und in Fünferpackages bereits 43.000 Besucher.

Auch das Fernsehen hat im Vorfeld des dräuenden Kinostarts einschlägig programmiert. Am Freitag kam es dabei zu einer vielsagenden Pattsituation, einem Gipfeltreffen der Teenagerkultfilme, in dem sich gewissermaßen Generationen spiegelten: Eclipse / Twilight 3 zeitgleich gegen Dirty Dancing. Das ist jener Film, der in den 1980er-Jahren aus dem Nichts jene Maßstäbe für intensiv gelebte, unsterbliche, ewige Fanliebe setzte, die nunmehr der Twilight-Serie zuteilwird. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 20.11.2012)