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Kern von Basel III sind höhere Eigenkapital- und Finanzpolster für Banken, um sie von risikoreichen Geschäften abzuhalten.

Foto: Reuters/Hartmann

Frankfurt am Main - Deutsche Geldinstitute fühlen sich von der Flut von Vorschlägen zur Regulierung der Branche zunehmend überfordert. "Der Bankensektor steht an der Klippe eines regulatorischen Kollapses", sagte der Vorstandschef der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Hans-Dieter Brenner, auf einem Bankenkongress in Frankfurt. Das drohe die Kreditvergabe zu bremsen. DZ-Bank -Chef Wolfgang Kirsch forderte, vor weiteren Initiativen zunächst die Folgen für die Branche zu untersuchen.

Ein US-Bankenaufseher drohte sogar mit einem Alleingang des wichtigsten Finanzplatzes der Welt, wenn die Kapital- und Liquiditätsregeln nicht entschlackt würden. "Wir sollten Basel III in seiner aktuellen Form aufgeben", sagte der Vize-Chef der US-Einlagensicherung FDIC, Thomas Hoenig, dem "Handelsblatt". Deutsche-Bank-Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen warnte dagegen davor, das Paket noch einmal aufzuschnüren. "Es kann nicht sein, dass man um fünf vor zwölf eine solche Diskussion vom Zaun bricht", sagte er auf der "Euro Finance Week". Auch er beklagte die Vielstimmigkeit der Forderungen: "Ich glaube nicht, dass wir heute ein Umfeld haben, in dem wir sagen können, dass die Weichen richtig gestellt sind."

Zeitplan wackelt

Der Zeitplan für Basel III wackelt ohnehin. Die USA haben die für Anfang 2013 geplante weltweite Einführung der Regeln für ihre Banken erstmal verschoben. Auch in der EU wird noch über Einzelheiten gestritten. Deutsche Spitzenbanker forderten auf dem Kongress, das Regelwerk rasch und einheitlich umzusetzen, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. DZ-Bank-Chef Kirsch will aber kleine Institute wie die Volks- und Raiffeisenbanken von dem umfassenden Regelwerk ausnehmen: "Kleine Banken brauchen diesen Regulierungs-Tsunami definitiv nicht." Basel III wurde für international tätige Institute entwickelt.

Kirsch sprach sich für eine groß angelegte Feldstudie über die Wechselwirkungen der Bankenregulierung aus, wie sie beim Vorgänger-Regelwerk Basel II und zuletzt bei den Versicherern stattgefunden hatten. "Die strategischen Konsequenzen für Banken sind im Einzelnen bislang kaum vorhersehbar", sagte er. Wenn es nicht gelinge, mit Ertragssteigerungen gegenzusteuern, führe die Regulierungs-Flut dazu, dass Kosten gesenkt, Filialen geschlossen und Personal abgebaut werden müssten. Helaba-Chef Brenner sagte, die Richtlinien führten dazu, dass Banken weniger langfristige Kredite an Mittelständler vergeben können.

Kern von Basel III sind höhere Eigenkapital- und Finanzpolster für Banken, um sie von risikoreichen Geschäften abzuhalten und die Steuerzahler vor erneuten Rettungsaktionen in der nächsten Krise zu schützen - eine Lehre aus der Finanzkrise, in der Institute weltweit in Schieflage gerieten und vom Staat aufgefangen wurden.

Einführung modifizieren

FDIC-Vize Hoenig sagte, die Regeln seien zu komplex und würden die Banken einladen, die Vorgaben auszuhebeln. "Der ganze Ansatz von Basel hat sich als von Anfang an falsch erwiesen. Ich möchte Europa ermutigen, die Einführung von Basel III zu modifizieren." Die Kapitalanforderungen sollten vereinfacht werden. Hoenig schloss einen Alleingang nicht aus. "Man muss das Richtige tun. Das ist letztlich wichtiger als mit einem Rahmenwerk zu leben, das nicht funktioniert." Die Vermutung, die USA wollten ihren Banken einen Vorteil verschaffen, wies Hoenig zurück. Er sagte, die USA wollten nicht aus den Vereinbarungen aussteigen. Sie würden eher noch höhere Anforderungen stellen.

Die US-Regierung hat sich verpflichtet, die Regeln für ihre rund 20 international tätigen Großbanken umzusetzen. Im Baseler Ausschuss haben die USA auch selbst an den Regeln mitgearbeitet. Hoenig gilt seit langem als Basel-III-Skeptiker. Die FDIC, der er vorsteht, teilt sich die Aufsicht über die Banken mit der Notenbank Fed und der Regulierungsbehörde OCC. Die drei Institutionen hatten vergangene Woche den Einführungstermin von Basel III in den USA auf unbestimmte Zeit verschoben, weil es noch Diskussionsbedarf gebe. Schon das Vorgänger-Regelwerk Basel II haben die USA bisher nicht umgesetzt.

Auch in Europa stockt die Umsetzung. Europäisches Parlament, EU-Kommission und EU-Mitgliedstaaten haben sich noch nicht auf Details geeinigt. Der Verhandlungsführer des Parlaments, Othmar Karas, hatte Reuters am Wochenende mit Blick aus die USA gesagt: "Europa wird nicht warten, wir werden fertig verhandeln." Der österreichische Abgeordnete betonte: "Wir wollen Vorreiter sein." (APA, 19.11.2012)