Wanz schwitzte, Wanz hatte 170 Kilogramm Wettkampfgewicht, und Wanz hatte zu enge Dressen an. Von den Fans wurde er geliebt. Der Steirer, der 200 Sit-ups am Tag schaffte, wurde 1982 der erste europäische Weltmeister der American Wrestling Association.

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Bis zu 5.500 Fans kamen einst zu den Catch-Events am Wiener Heumarkt. Mitveranstalter Otto Wanz holte viele Topstars.

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Wanz hat von 228 Kilo (2007) auf 170 abgespeckt.

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Wien – Otto Wanz beruhigt den Besucher. "Kommen S' ruhig eina", brummt der 69-jährige Steirer. "Butch tut nichts, keine Angst. Der hat 100 Kilo weniger als ich." Butch ist der Haushund von Wanz. Und Wanz hat 170 Kilo. Zum Glück gibt sich der gewaltige Bullmastiff mit dem Erschnüffeln von Angstschweiß zufrieden, die gutmütige Dogge zieht triumphierend von dannen. Einbrecher, sagt Wanz, haben ihn noch nie heimgesucht.

"Big" Otto hat sich in Nestelbach bei Graz mit Lebensgefährtin Ludmilla häuslich eingerichtet. Vom "Austrian Steamroller", der österreichischen Dampfwalze, wie der Catcher einst genannt wurde, zeugt hier nichts. Fotos und Poster hängen in seinem Büro in Graz. "Das will ich getrennt haben", sagt er. "Mir gefällt die Ruhe hier." Geschichten aus seinem Leben kann das Schwergewicht aber auch am Küchentisch aus dem Ärmel schütteln, frage nicht.

Wanz wollte Boxer werden, der gelernte Kfz-Mechaniker stand im Olympiakader für die Sommerspiele 1960. Nach einem Wickel mit dem Verband wurde es aber nichts mit Rom, Wanz pausierte zwei Jahre. "Da hab' ich ordentlich zugelegt." Übers Ringen fand der Steirer den Weg ins Big Business des (Show-)Catchens.

1982 durfte der 170-Kilo-Koloss vor 22.000 Zuschauern im Civic Center in Saint Paul, Minnesota im hautengen Kampfdress Weltmeister der American Wrestling Association (AWA) werden. Wanz war der erste europäische Catcher, dem der Triumph in den USA gelang. "Das war mein erster USA-Trip", erzählt er.

Gamsbart und Lederhose

Schon einen Monat vor dem Kampf wurde er eingeflogen, um für Promotion zu sorgen. Kraftschreie wurden einstudiert, TV-Spots aufgenommen, Klischees wurden zum Markenzeichen: Wanz wurde ein Hut mit Gamsbart aufgesetzt und eine riesige Lederhose angezogen.

Der Unbekannte aus Graz wurde in den USA allein durch Marketing und Fernsehen zur großen Nummer. "In Chicago sollte ich Tage vor meinem Kampf bei einer Veranstaltung nur meinen Kopf in die Halle strecken. Die Leute haben 'Otto, Otto!' geschrien." Duelle mit den Wrestling-Superstars Hulk Hogan, André the Giant und Yokozuna folgten.

Auch bei der CWA, der Catch Wrestling Association, war Wanz dick im Geschäft. 1985 wurde er Mitveranstalter der Events am Wiener Heumarkt – die Wrestling-Hochblüte hatte begonnen. Wanz holte viele Kollegen nach Wien, an manchen Tagen kamen 5.500 Zuseher an den Ring, der fast den gesamten Sommer lang am Heumarkt stand. Auch in Graz und Bremen stürmten Fans die Veranstaltungen. 1990 machte Wanz als Wrestler Schluss, sieben Jahre später folgte das Heumarkt-Aus.

Die Bücher und Shakespeare

Richtig berühmt wurde Wanz durch Zufall. 1982 wurde in London der stärkste Mann Europas gesucht. Wanz ließ sich von einem Gegner in die hohe Kunst des Telefonbuchzerreißens einweihen, "Big Otto" gewann die Disziplin souverän. "Von da an hat mein Telefon geglüht."

Wanz brach den Weltrekord, schaffte 20 Wiener Telefonbücher, jedes davon fünf Zentimeter dick, in 30 Sekunden. Und die Kassen begannen zu klingeln. "An den Wochenenden hatte ich bis zu fünf Auftritte pro Tag", sagt Wanz. In TV-Shows und bei jedem Bierzeltfest trat er auf, sogar in Las Vegas bekam Wanz eine eigene Show. "Ich hab' einen Monat lang Telefonbücher zerrissen." Dreimal am Tag gab es im Hotel Hacienda fünfminütige Auftritte, Wanz cashte bei freier Kost und Logis 600 Dollar am Tag.

In Österreich und Deutschland war er so populär, dass er für Film- und Theaterauftritte gebucht wurde. 1995 spielte er in der Josefstadt 58-mal in Shakespeares Wie es euch gefällt. Er mimte dabei den Ringer Charles. Wanz: "Eine Maschinschreibseite Text konnte ich mir schon merken."

Die Telefonbücher in den Telefonzellen hatten allerdings zu leiden. Viele wollten so stark sein wie der Catcher, aus Frust wurden zumindest ein paar Seiten aus dem gelben Buch herausgerissen. Eines Tages hatte Wanz den Postminister am Telefon. "Er hat mich gebeten, einen Aufruf zu starten, keine öffentlich aufgelegten Telefonbücher zu zerstören."

Ein medizinisches Rätsel

Nach einem Motorradunfall in Graz 2002 war das bis zuletzt einträgliche Geschäft gelaufen. Wanz: "Ich hab' mir beim Crash mit dem Auto alle Bänder im rechten Arm abgerissen." Seither kann er die rechte Hand nur noch eingeschränkt verwenden.

Wanz, der nach einem Allzeit-Höchstgewicht von 228 Kilo vor fünf Jahren abgespeckt hat, ist seinem Arzt nach wie vor ein Rätsel. "Ich hab' seit 50 Jahren Übergewicht. Aber bei meinen inneren Werten meint er, dass ich 90 Jahre alt werden kann."

Das Knie und das Kreuz schmerzen allerdings schon ordentlich, weshalb Wanz 2011 auch eine Einladung zur Aufnahme in die "Wrestling Hall of Fame" ausgeschlagen hat, die mit einer Reise in die USA verbunden gewesen wäre. Die Veranstaltung "Austrian Giants", die er seit 1993 ausrichtet, schupft er mit Sohn Michael aber gerne. Am 6. Dezember wird der Winter Giant 2012 in Bad Mitterndorf gefunden.

Neues vom Griesplatz

Und sonst? Sonst, sagt Wanz, ist er zur richtigen Zeit immer am richtigen Ort gewesen. Noch eine Geschichte: "1972. Wir waren bei einem Wrestling-Turnier fünf Wochen im afrikanischen Kongo engagiert. Die Bude war mit 20.000 Fans jeden Tag voll. Nur – eine Gage haben wir nicht gekriegt. Ich werde zum Sprecher der Gruppe gewählt, gehe zum Funktionär, der mir eine Abfuhr erteilt. Tags darauf werde ich zum Minister zitiert, ich hab' schon abgeschlossen gehabt. Er fragt mich: 'You are the guy from Graz?' Ich sage: 'Yes, Sir.' Er darauf: 'Wos gibt's Neichs am Griesplatz?' Hat der echt in Graz studiert! Das Geld haben wir am nächsten Tag bekommen." (David Krutzler, 19.11.2012)